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Peter Gerlach, Idylle<br />
Pathetischen, den Aktivitäten in der realen oder vorgestellten geschichtlichen Gegenwart gewidmet. 10 Der<br />
Landschaftsdarstellung wurde von Anfang an in der Theorie nachgesagt, sie könne daher von den drei<br />
elementaren Funktionen, die wahre (bildende) Kunst zu erfüllen habe – docere (belehren), movere (innerlich<br />
bewegen) und delectare (erfreuen) – nur eine einzige, und zwar die unmittelbarste, einfachste erfüllen,<br />
nämlich erfreuen. Aus dieser Einschätzung behielt die Idylle immer einen untersten Rang in der<br />
akademischen theoretischen Einordnung. Das aber hat ihrer Wirkung, Entfaltung und Beliebtheit bei<br />
durchaus achtenswerten, ideenreichen Künstlern keinen Nachteil eingebracht. Und beim zahlenden<br />
Publikum erst recht nicht. Sie blieb die beliebteste soap-opera der Geschichte der Malerei Europas – und<br />
das keineswegs nur <strong>als</strong> Sinnbild und Vehikel des Eskapismus.<br />
Zum dazwischen liegenden "modus mediocris", dem des ausgewogenen Mittelmaßes der bürgerlichen Welt,<br />
hat der Modus der Idylle kaum feste Grenzen. Vielfältig sind die Übergänge von einem zum anderen. Dann,<br />
wenn der Ort der Idylle einen Namen hat – wie Arkadien beispielsweise – , kam gelegentlich erst, dann im<br />
Laufe des 16. Jahrhunderts unwiderruflich die Erfahrung mit der Tragik des Lebens ins Spiel. Giovanni<br />
Francesco Guercino und Nicolas Poussin lassen die Hirten auf eine Grabstätte treffen, die den Betrachter an<br />
die Vergänglichkeit seines irdischen Lebens gemahnte. 11 Bei ersterem – dem ersten bekannten Gemälde mit<br />
diesem Motiv - wurde es um 1621 zu einem Memento mori durch die dem Betrachter zugewandte, auf einem<br />
Stein angebrachte Inschrift „ET IN ARCADIA EGO“, auf dem ein Totenschädel platziert ist. Anders bei<br />
Poussin wenige Jahre später, um 1630.<br />
Die erste Fassung des Themas ist nach Panofsky durch die Einfügung des Flussgottes arkadischer <strong>als</strong> noch<br />
Guercinos Gemälde, doch habe es „immer noch eine moralische oder mahnende Aussage“. Der Totenkopf<br />
ist oberhalb der Augenhöhe der Hirten auf den Sarkophag versetzt und wird von ihnen nicht mehr beachtet.<br />
Die drei Hirten und eine Schäferin in sichtlich bewegten Gewändern befassen sich aufmerksam entziffernd<br />
mit der Inschrift vor ihnen, deren Aussage dadurch zum zentralen Thema des Gemäldes wird. Nunmehr ist<br />
es der personifizierte Tod selber, der aus den entzifferten Worten für sie – und damit auch für den Betrachter<br />
dieser Szene - ablesbar wird: Er spricht <strong>als</strong> personifizierter Tod zu den nachdenklichen Arkadiern. Vom<br />
moralisierenden Anspruch vollzog Poussin in der berühmteren, zweiten - etwa 15 Jahre später entstandenen<br />
- Fassung einen entscheidenden Sprung zu einer nunmehr gedankenreichen Betrachtung im gelassenen<br />
Gespräch. Die Hirten dieses Bildes sind versunken in Erinnerungen an eine bessere Vergangenheit, die es<br />
für sie gab, bevor ihnen hier dieser Tod entgegentrat. Ein Bild „unverhüllter elegischer Empfindung“, die bei<br />
der Betrachtung des schlichten kubischen Steingrabes entsteht, denn hier wurde zudem der Totenschädel<br />
fortgelassen. Panofsky verwies darauf, dass Sannazaro in seinem ‚Arcadia’ (1502), einem bedeutenden<br />
bukolischen Roman der beginnenden Neuzeit, den „im kalten Stein“ begrabenen Toten sprechen ließ. Mit<br />
diesem Hinweis erklärte er die f<strong>als</strong>che Deutung des Satzes mit „Auch ich lebte in Arkadien“ (bei Gryphius,<br />
Schiller bis Herder und Mathias Claudius) statt der grammatikalisch korrekten Übersetzung „Selbst in<br />
Arkadien gibt es mich“ (nämlich den Tod), der nun nicht mehr auf den Tod, sondern auf den im Sarkophag<br />
bestatteten Toten bezogen wurde. Der Hirten Entdeckung des unter ihnen anwesenden Toten, ihre sanfte<br />
10 Kunsttheoretischen Quellen gesammelt in: Werner Busch (Hg.), »Landschaftsmalerei.« Berlin 1997;<br />
Wilhelm Messerer, „Die "Modi" im Werk von Poussin“, In: »Festschrift für Leo Dussler.« München 1972,<br />
335 - 356.<br />
11 Erwin Panofsky, „Et in Arcadia ego“. in: ders., »Sinn und Deutung in der bildenden Kunst.« Köln 1975, 2.<br />
Aufl. 1978, S. 351-377.<br />
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