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Peter Gerlach, Idylle<br />
aber ebenso nicht von dieser Welt war. Nur eines beließ Vergil seinen arakadischen Hirten, was er aus<br />
geographischer Spezialliteratur (Polybios) passend übernehmen konnte: Sie übten sich früh schon in<br />
Gesang und musikalischen Wettbewerben. Das passte ins Bild, denn Theokrit ließ seine Hirten den<br />
musikalischen Wechsel- und Wettgesang üben. Das vierte dieser Hirtengedichte, das die Schilderung eines<br />
zu erwartenden Goldenen Zeitalters im Zusammenhang mit der Geburt eines Knaben beschreibt, wurde sehr<br />
früh schon von den Christen <strong>als</strong> eine Verheißung ihres Erlösers ausgedeutet, der in einer Krippe im Stall<br />
geboren wurde und zu dessen Begrüßung sich Hirten auf dem Felde einfanden. Das garantierte auch dem<br />
römischen Autor einen unerwarteten Nachruhm.<br />
Damit liegt es an dieser Stelle nahe, für sein Arkadien auf ein möglicherweise verwandtes Motiv - nicht nur<br />
christlicher Glaubensvorstellung - zu verweisen: das vom Paradies (alttestamentarische Bezeichnung, aus<br />
dem iranischen pardes entlehnt). 3<br />
Zum Vergleich bietet sich sowohl die Vorstellung von der Lage <strong>als</strong> auch die Vorstellung vom zeitlichen<br />
Vorkommen an, nicht von dieser Welt zu sein, zumindest der paulinischen Überzeugung nach. Die Wüste<br />
von heute war oder wird einst wieder ein Gottesgarten sein. Wasser (Quellen, Flüsse), ein umfriedeter<br />
Lustgarten mit hohen Bäumen, die Lage im Osten oder Westen, auch am Rande der Welt, zeichnen dieses<br />
jenseitige oder auch himmlische Gefilde der Seligen aus. Der Glückszustand an diesem letztlich doch<br />
imaginären Ort ist geprägt von Ruhe und Frieden am Anfang und Ende der Zeiten. Diese Vorstellungsreihe<br />
wurde später dann in der Sage vom “Goldenen Zeitalter” historisiert und im Märchen vom “Schlaraffenland”<br />
schließlich säkularisiert. Varianten dieser Motive in unterschiedlicher Kombination finden sich in Asien<br />
(Japan, Hinduismus), im Iran, im Judentum bis in die slawischen und germanischen Religionen. Es ist das<br />
Gegenbild einer Gesellschaft von Nomaden, für die eine Oase in der Steppe die Elemente bestimmte,<br />
während das Ideal des wohlgepflegten Parks eine städtisch geprägte Kulturstufe (Mesopotamien)<br />
voraussetzte.<br />
In der bildenden Kunst des frühen Mittelalters schon kamen – neben dem aus römisch-profaner Kunst<br />
übernommenen „bon pastor“, der zum jugendlichen, unbärtigen Christus mit einem verlorenen Schaft auf<br />
seinen Schultern umgeprägt wurde – <strong>als</strong> Landschaftsabbreviaturen die Quelle, an der Hirsche trinken, samt<br />
Adam und Eva am Baum der Erkenntnis mit der Schlange, am häufigsten zur Darstellung. Der Garten selber<br />
indessen wurde zu dieser Zeit nicht weiter bildlich ausformuliert, wiewohl bereits die kaiserzeitliche<br />
Wandmalerei zahlreiche Darstellungen idyllischer Landschaften mit typischen bukolischen Motiven, wie<br />
Hirten und Schafe, kannte, die selbst noch in spätantiken Handschriftenillustrationen aufzufinden sind. Und<br />
da Vergil aufgrund der Weissagung in der 4. Ekloge <strong>als</strong> Wegbereiter des Christentums galt, konnte seine<br />
bukolische Phantasie ungefährdet neben der christlichen Heilslehre gelesen und kopiert werden. In einigen<br />
dieser Kopien nun finden sich einschlägige Darstellungen von anonymer Hand bis heute erhalten.<br />
Literarisch wurde die Idylle im Ritterroman tradiert, in den „Pastourelles“ der provenzalischen Troubadours,<br />
und zu Beginn der Renaissance schließlich, von den mittelalterlich religiösen Beschränkungen befreit,<br />
3 F.M.Th. de Liagre Böhl – A. Jepsen – F. Flesse, Paradies, Im Alten Testament, Paradieserzählung. In:<br />
Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. 3.<br />
Auflage, Tübingen 1961, Sp. 95 – 100; B.E. - M. He., Paradies. In: Der kleine Pauly, Bd.9, Stuttgart –<br />
Weimar 2000, Sp. 307 – 309.<br />
http://www.kunstserviceg.de/gerlach 2 von 15