Herunterladen als PDF - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte
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Expressionistische Kunsttheorie<br />
Der aus Hannover stammende Philosoph Ludwig Klages (1872-1956, 1910/1913) knüpfte<br />
mit seiner Theorie der Ausdrucksbewegungen an Carl Gustav Carus‘ Symbolik (1853) an<br />
und formuliert eine Einsicht, die sich fugenlos in den Expressionismus einpasste mit seiner<br />
Unterscheidung von dem Resultat einer Ausdrucksbewegung <strong>als</strong> Gestalt (Bild) einer<br />
seelischen Regung und den äußerlich nicht faßbaren Anlagen (Passionen) und<br />
Antriebsformen von Gefühlen.<br />
Gefühle konnte man somit anders begreifen und den Höhepunkt erreichte die Physiognomik<br />
mit Ludwig Klages, der 1910 mit seiner Theorie von der Ausdrucksbewegung eine<br />
nachgerade expressionistische Physiognomik verfaßte. Hier ist nur noch vom Wechselspiel<br />
des Austausches von Trieb- und Willensimpulsen die Rede, und er verließ das traditionelle<br />
Indikatorenrepertoire, indem er die Handschrift <strong>als</strong> Aufzeichnung eines authentischen<br />
Abbildes innerer Prozesse begriff.<br />
Die Geschichte der Graphologie ihrerseits reicht zurück bis auf Camillo Baldos «Trattato<br />
come da una lettera missiva si conoscono la natura e qualità dello scrittore.» Capri 1622,<br />
nur daß zu dieser Zeit eher einem Schreiber diktiert, <strong>als</strong> selbst geschrieben worden ist.<br />
Handschrift indessen <strong>als</strong> Eigenart einer Zeichnung und eines Gemäldes schätzten zwar<br />
Kenner und Sammler. Teil einer theoretischen Reflexion war sie indessen noch lange nicht<br />
geworden, sondern unter dem Begriff von der maniera, der Manier <strong>als</strong>o immerhin schon<br />
benannt.<br />
Sie auf die Analyse des Empfindens im Sinne der Definition, die seit dem späten 18.Jh.<br />
entwickelt worden war, gerät bei Klages durchaus analog zum Kunst-Ideal des<br />
Expressionismus.<br />
Das nach außen gerichtete, auf soziale Kompetenz und soziale Regulative orientierte<br />
Pendant zu Ludwig Klages findet sich in den Schriften des etwas jüngeren Psychologen Karl<br />
Bühler (1879 -1963) im Begriff von der Ausdruckshandlung und dem den Probanten<br />
folgenden verstehenden Blick des Beobachters. Diesen Ansatz hatte er in dem 1913<br />
erschienen Buch “Gestaltpsychologie” entwickelt. Ihre Theorien unterscheiden sich wie ein<br />
Bildnis eines expressionistischen Künstlers vom dem eines der Neuen Sachlichkeit.<br />
Klages Blick ist nach Innen gerichtet, Bühlers kalter Blick auf das Äußere eines Gegenübers,<br />
ist <strong>als</strong>o selber soziale Interaktion, die simulierte Introspektion von Klages um eine<br />
Dimension erweiternd.