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Herunterladen als PDF - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte

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dort angehäuft.<br />

Extremer noch fällt das bei Rothe aus. (W. Rothe, Der Expressionismus. Theologische,<br />

soziologische und anthropologische Aspekte einer Literatur. Frankfurt a.M. 1977). Er wählte<br />

<strong>als</strong> Motto für sein Buch zwei Zitate aus: "Die Bewegung des Geistes steht noch aus"<br />

(Friedrich Wolf, 1919) und "Bewegung liegt allem Werden zugrunde." (Paul Klee, 1920).<br />

Ließe sich danach erwarten, daß utopische Konstrukte zur Sprache kämen, wie sie etwa die<br />

Jugendbewegung oder die Reformpädagogik (vgl. dazu etwa die Biographie Rainer<br />

Marwedel, "Theodor Lessing. 1872 - 1933." Darmstadt 1987, 72 ff zur Gründung der<br />

Odenwaldschule 1910.) kennzeichnen, überraschen nicht minder die Kapitelüberschriften:<br />

"Unterwelt", "Die unwirtliche Erde", "Vorhölle", "Das Gefängnis des Lebens", "Weltnacht",<br />

"Unwirklichkeit und Lehre" .... "Staat <strong>als</strong> Zwangssystem" usw.<br />

Hat hier jemand in seiner persönlichen Mid-life-crisis in literaturwissenschaftlichem Gewand<br />

seine Gegenwartskritik (1977 <strong>als</strong> späte Reaktion auf die '68) niedergeschrieben? Mich<br />

erinnert's an jenes düster-melancholische Bild, welches mir meine Deutschlehrern durch<br />

eine entsprechende Auswahl aus der Lyrik (Trakl, Benn) Mitte der 50er Jahre von der<br />

Dichtung des Expressionismus vermittelten. Das verstörte mich dam<strong>als</strong> schon, denn es<br />

paßte so gar nicht zu den lichtdurchfluteten und paradiesischen Gemälden die ich von Otto<br />

Müller oder Paul Klee oder Ernst Macke aus dem Kunstunterricht in der gleichen Zeit längst<br />

kannte. Selbst in Rothes Kapitel "Zum Menschenbild des Expressionismus" wird<br />

ausschließlich "gefroren" und Mädchen, Kind und Narr finden sich zu einer "lächerlichen<br />

Trinität menschlicher Güte" (Toller) vereint.<br />

Lediglich im Kapitel IX "Rationalismus und Wissenschaftskult." (S. 275 ff) scheint etwas vom<br />

Gegenteil auf:<br />

"Man begreift den expressionistischen Antirationalismus fälschlich <strong>als</strong> generelle Absage an<br />

Bewußtheit und Vernunft - sprich Ratio - zugunsten blinder Emotionalität (Gefühlskult) und<br />

Vitalismus (Lebensreligion). Die Gleichzeitigkeit einer verbreiteten irrationalistischen<br />

Zeitströmung in Nordamerika und Europa (Theosophie, Spiritismus u.a.m.) sowie einer<br />

religiösen Erneuerungsbewegung (Freikirchen, Baptisten, religiöse Sozialisten) fördert<br />

dieses Mißverständnis. Doch im Unterschied zu den irrationalistischen Geistesmoden, die<br />

sich soziologisch auf aristokratische Zirkel und bürgerliche Konventikel beschränkten, besitzt<br />

die expressionistische Kritik an einer triumphierenden Wissenschaft und einem autoritären<br />

Verstandesregiment durchaus kognitive Qualitäten. Sei verneint keineswegs doktrinär<br />

jegliche Ratio, sondern nur deren Perversion zu einem Rationalismus, sie zielt auf dessen<br />

fatalen Herrschaftsanspruch, auf sein arrogantes Negieren aller übrigen psychischen

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