Herunterladen als PDF - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte
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Urzeichen künstlerischen Schaffens, die dem seiner kindlichen Ursprünglichkeit<br />
Entwachsenen immer noch unvermittelt zur Verfügung stünden. Mit Haeckels u.a.<br />
Entdeckung von "Kunstformen der Natur" glaubte man ein unerschöpfliches Reservoir<br />
erschlossen zu haben, das von den normierenden Kräften der modernen Gesellschaft<br />
unberührt, immer noch von den Zeiten vor dem Erscheinen des Menschen und seiner Kunst<br />
künde.<br />
Kaum in den Blick der Kunstwissenschaft wurde die Vielzahl derjenigen bildlichen<br />
Äußerungen genommen, die diesseits der hochrangig spezialisierten Produktionsformen<br />
bildender Kunst sowohl das alltägliche gesellschaftliche Leben <strong>als</strong> auch das intimere private<br />
Leben beherrschten.<br />
Erst um die Jahrhundertwende traten vor allem bei Sigmund Freud und den<br />
wahrnehmungstheoretischen Schulen in Leipzig 19 und Dresden jene Formen der bildlichen<br />
Manifestationen menschlicher Weltaneignung in den Blick, die diesseits der traditionellen<br />
Hochformen einer "Bild-Kultur", <strong>als</strong>o der bildenden "Kunst", sowohl beim Kinde schon, <strong>als</strong><br />
auch bei dessen phylogenetischem Pendant, den sogen. »Primitiven« ausgemacht werden<br />
konnten. 20 Andererseits trat ein anderes kulturelles Erbe in die Phase seiner<br />
wissenschaftlich-rationalen Durchdringung, das bis dahin der Domäne von Aberglauben und<br />
Irrationalitäten überlassen schien: die Deutung der Bilderwelt der Träume. Allerdings<br />
unterlag sie von Anfang an einer Festsetzung in einer enthistorisierten Form, da man in<br />
diesem Bild- und Figurenrepertoire ein unveränderliches Zeugnis anthropologischer<br />
Konstitution erblickte, das gegen jede kulturell-bedingte Veränderung und Anpassung<br />
hypostasierte wurde.<br />
Darin Quellen subjektiver Inspiration <strong>als</strong> höchsten Ausweis ungeteilter Individualität<br />
erblicken zu können, wurde zum ausgesprochenen Lieblingsvorurteil der Künstler selber. Mit<br />
Vorliebe nahmen sie sich jenen Erbes neuzeitlichen Irrationalismus' an. Zugleich besetzten<br />
sie damit den Kontrapart zur industrialisierten Rationalität und verhalfen ihm zu neuen,<br />
höchst zwiespältig beurteilten Ehren. Damit war die Frage nach dem historisch-<br />
menschheitsgeschichtlichen "Ursprung" von Kunst oder künstlerischer Tätigkeit zunehmend<br />
von der Vorstellung von "Ursprünglichkeit", <strong>als</strong>o der Frage nach sensitiver "Unvermitteltheit"<br />
emotionaler Wirkung von Formen und Farben überlagert. Es wurde unterstellt, daß "frühen"<br />
Kulturen diese Unmittelbarkeit ebenso direkter zur Verfügung gestanden habe, wie man es<br />
für's Kind selbstverständlich annahm. Nunmehr wollte jeder gerne im Erwachsenen-Alter