Tugenden haben, da er nicht <strong>in</strong> die Lage kam, sich als gerecht oder großzügig zu erweisen, also konnte er nicht mit leon<strong>in</strong>em Kopf dargestellt werden, das hätte kaum e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n gemacht! E<strong>in</strong> Kurfürst <strong>in</strong>dessen hatte diese Tugend von Amts wegen auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er äußeren Ersche<strong>in</strong>ung beweiskräftig anzuzeigen: Er mußte sich so darstellen lassen, auch wenn es se<strong>in</strong>em Temperament nicht unbed<strong>in</strong>gt gemäß erschien (wir er<strong>in</strong>nern uns an die "pusenden Backen", die wohl eher für Jähzorn sprechen). Die Inszenierung des Individuellen hat also sehr wohl die soziale Rolle <strong>in</strong>s Kalkül aufzunehmen. Vor diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> erst läßt sich nach der <strong>in</strong>dividuellen Variante suchen. Und dazu bedarf es des Vergleiches. Und den vermeidet die kunsthistorische Literatur genau dort, wo es um Rollen geht durch die Inszenierung des Lay-Outs pe<strong>in</strong>lich. Abbildungen von Individuen werden nach anderen Kriterien e<strong>in</strong>ander gegenübergestellt <strong>und</strong> pe<strong>in</strong>lich genau durch Textseiten von e<strong>in</strong>ander geschieden. Das dient e<strong>in</strong>em anderen unmittelbaren Vergleich, sonst hätte das Temperament-typische längst zu deutlich am <strong>Bild</strong> gegen die Texte der Autoren sprechen müssen. Hier liegt noch e<strong>in</strong> weites Feld offen vor uns auf der Suche nach Glücksfällen, wie des Chronisten Beschreibung des Trierer Kurfürsten. 10
Anmerkungen: 1. Thomas Mann, Der Zauberberg. Frankfurt/M, S. Fischer, 1960, S.68. 2. Hans Ost, Leonardo-Porträt <strong>in</strong> der Kgl. Bibliothek Tur<strong>in</strong> <strong>und</strong> andere Fälschungen des Giuseppe Bossi. Berl<strong>in</strong> 1980, Abb.1, S.9. 3. E<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Kunstgeschichte häufig zitiertes Beispiel e<strong>in</strong>es frühen <strong><strong>Bild</strong>nis</strong>ses im Vergleich mit zeitgenössischer Beschreibung ist das von Franz von Assisi, 1181/82-1226. (Lit. LCI, Bd.6, 1974, Sp.266 ff. Dort die Beschreibung des Thomas von Celano, Leben <strong>und</strong> W<strong>und</strong>er des Heiligen Franziskus von Assisi. E<strong>in</strong>führung, Übersetzung, Anmerkungen Engelbert Grau, Werl, 1955, Kap. XXIX, 83., S.156-157; 2.Aufl. 1964, S.149-150. Datierung auf 1228 nicht belegt, vgl. Henry Thode, Franz von Assisi <strong>und</strong> die Anfänge der Kunst der Renaissance <strong>in</strong> Italien. Berl<strong>in</strong> 1926 (IG 320), S. XXVII, Quellen I. "vor 1230" (neu ediert von Konstant<strong>in</strong> Suysken, Acta sanctorum, Mensis Octobris, Antwerpen 1768, Bd.10,2, lib.1, cap. X, 83, S.706. [LAb1, 10,2]) zwischen 1228 <strong>und</strong> 1230 geschrieben, da sie wohl die im ersteren Jahre (1228) erfolgte Kanonisierung, nicht aber die Überführung des Leichnams <strong>in</strong> die neue Kirche S. Francesco, 1230 erfolgt, enthält. Neue Ausgabe mit ital. Übersetzung von Amoni, Rom 1880. Thomas verfaßt 4 Legenden, daß die 2. davon, auf Befehl Gregor's IX., die hier genannte sei, beruht auf ke<strong>in</strong>em authentischen Zeugnis, sondern auf Vermutung (Wadd<strong>in</strong>g), der aber die größte Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit nicht abzusprechen ist. (S.576). Erster Bericht von Aussehen des Franciscus entstand, als er 1220 <strong>in</strong> Bologna predigte. Unter den Zuhörern befand sich der Archidiaconus <strong>und</strong> Studierende Thomas Spalatensis. Er schrieb: "Cum essem <strong>in</strong> studio Bononiae ego Thomas, civis Spalatensis ... vidi sanctum Franciscum praedicantem <strong>in</strong> platea ante palatium parvum... Et sordidus erat habitus ejus, persona contemptibilis, et facies <strong>in</strong>decora..." (schmutzig war se<strong>in</strong> Gewand, verächtlich se<strong>in</strong>e Person <strong>und</strong> unschön /häßlich-entstellt/ se<strong>in</strong> Gesicht). Wadd<strong>in</strong>g, Annales m<strong>in</strong>orum II, 1731, Bd.1, 1220; Acta Sanctorum, Bd. 10,2 Appendix § VII, S.842, 142. Ausführlicher Thomas von Celano:"... Fac<strong>und</strong>issimus homo [er war (e<strong>in</strong> außerordentlich redegewandter Mann mit)], facie hilaris [von heiterem (fröhlichem) Antlitze], vultu benignus [von gütigem Blicke (Gesichtsausdruck)], immunis ignaviae /Trägheit/ [frei von Feigheit], <strong>in</strong>solentiae expers [wie von Unverschämtheit/Rücksichtslosigkeit]; staturam mediocris [se<strong>in</strong>e Statur war mäßig groß (von nicht sonderlich großer Gestalt)], parvitati vic<strong>in</strong>ior [eher kle<strong>in</strong> (als groß)]. Caput mediocre ac rot<strong>und</strong>um [der Kopf von mittlerer Größe <strong>und</strong> r<strong>und</strong> (er hatte e<strong>in</strong>en nicht sonderlich großen, r<strong>und</strong>en Kopf)], facies utr<strong>in</strong>que oblonga & protensa [das Gesicht (etwas) länglich zugleich <strong>und</strong> vorgebaut (gedehnt)], frons parva & plana [die Stirn kle<strong>in</strong> (niedrige) <strong>und</strong> eben]; mediocres oculi, nigri & simplices [die Augen mäßig (nicht sonderlich) groß, schwarz <strong>und</strong> e<strong>in</strong>fältig (unverdorbene)], fusci capilli [die Haare schwarz (dunkles)], supercilia recta [die Augenbrauen gradl<strong>in</strong>ig], nasus subtilis, aequalis & rectus [die Nase fe<strong>in</strong>, gleichmäßig <strong>und</strong> gerade (aufwärts gerichtet)], aures erectae & parvae [(aber) die Ohren abstehend <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>], & tempora plana [die Schläfen eben (flach)]: l<strong>in</strong>gua placabilis, ignea & acuta [die Zunge (Sprache) versöhnlich (gew<strong>in</strong>nend), feurig <strong>und</strong> scharf]; vox vehemens, dulcis, clara atque sonora [die Stimme gewaltig (mächtig), süß hell (klar) <strong>und</strong> klangreich (wohlkl<strong>in</strong>gend)]; dentes conjuncti, aequales & albi [die Zähne geschlossen (dicht), gleichmäßig <strong>und</strong> weiß]; modica labia, atque subtilia [die Lippen mäßig (schmal) <strong>und</strong> fe<strong>in</strong> (zart)]: barba nigra [der Bart schwarz], pilis non plenè respersa [mit spärlichem Haar (nicht voll)]: subtile collum [der Hals zart (schlank)], humeri recti [die Schultern gerade], 11