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Bildnis in Bild und Wort - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte

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für diese Personen beanspruchten Tugend all'antica. 14<br />

Angesichts der sprunghaft steigenden Zahl <strong>und</strong> Vielfalt von Individual-<strong><strong>Bild</strong>nis</strong>sen seit der Zeit<br />

Karl IV. <strong>und</strong> der Parler <strong>in</strong> weiten Teilen Europas, weit über die höfische Kunst h<strong>in</strong>aus, stellt<br />

sich me<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gangs geschilderte privates Dilemma nunmehr als e<strong>in</strong> fachlich - methodisches<br />

Problem. Als Kunsthistoriker müssen wir Vorsicht walten lassen. Zu schnell ist man geneigt,<br />

dem Grad bildlicher Differenziertheit e<strong>in</strong> ebenso breites Spektrum <strong>in</strong>dividueller Charakteristik<br />

des Dargestellten als Intention des Künstlers zu unterstellen. Dabei s<strong>in</strong>d die jetzigen<br />

Vorstellungen von der jeweiligen Person meist gewonnen aus zeitgenössischen<br />

15<br />

biographischen Bemerkungen oder gar aus späteren E<strong>in</strong>schätzungen des Charakters<br />

historischer Figuren aufgr<strong>und</strong> historisch als relevant erachteter Taten. Dies mag dann für<br />

e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fühlenden Nachvollzug angemessen dünken, für e<strong>in</strong>e wissenschaftliche<br />

Rekonstruktion jedoch bedarf der zeitgenössische Kontext e<strong>in</strong>er sorgfältigen Überprüfung.<br />

Der Idealfall wäre, wenn es gelänge, m<strong>in</strong>destens zwei von e<strong>in</strong>ander unabhängige<br />

zeitgenössische Quellen von Beschreibungen der Charakteristika e<strong>in</strong>er Person aufzuspüren,<br />

die sich gegenseitig bestätigen oder zum<strong>in</strong>dest ergänzen. Nur auch diese bedürften<br />

wiederum e<strong>in</strong>es zulässigen geme<strong>in</strong>samen Interpretationsrahmens, dessen wir uns zuvor zu<br />

vergewissern haben.<br />

Gibt es nun e<strong>in</strong>en solchen Interpretationsrahmen für <strong><strong>Bild</strong>nis</strong>se, sagen wir des späten 14. bis<br />

16.Jahrh<strong>und</strong>erts? Oder anders gefragt: Unter welchen Prämissen wurden diese <strong>Bild</strong>werke<br />

hergestellt? Welche Äußerungen gibt es dazu? Welche Texte lassen sich als von e<strong>in</strong>ander<br />

unabhängige Quellen aufweisen, die sich auf die Vorstellung von <strong>in</strong>dividueller Ersche<strong>in</strong>ung<br />

<strong>und</strong> deren charakterlicher E<strong>in</strong>schätzung beziehen lassen? Diese will ich ihnen nunmehr<br />

vorstellen.<br />

E<strong>in</strong>ige der Bed<strong>in</strong>gungen der Vorstellung von <strong>in</strong>dividueller Ersche<strong>in</strong>ung kennen wir aus der<br />

kunsttheoretischen Literatur. Sie wurden um die Mitte des 15.Jh. z.B. von Leon Battista<br />

Alberti <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Büchern "De Pictura" <strong>und</strong> <strong>in</strong> "De Statua" formuliert: 16<br />

Aufgabe der Malerei, bzw. der <strong>Bild</strong>hauerei, sei es Menschen darstellen: Mit "Historia" ist der<br />

Handlungskontext für die "persona" bezeichnet (<strong>in</strong>dividuum bezeichnet im late<strong>in</strong>ischen das<br />

Atom, nicht aber e<strong>in</strong> menschliches Wesen, der heutige Begriff ist also ke<strong>in</strong>eswegs<br />

17 benutzbar ).<br />

Der Handlungskontext wird spezifisch im H<strong>in</strong>blick auf die e<strong>in</strong>zelne Figur betrachtet. Das aber<br />

me<strong>in</strong>t ihre soziale Rolle - oder an ihr selber: ihre s o z i a l e Besonderheit.<br />

"Actio" - hier <strong>in</strong> gebührender Kürze formuliert - drückt die sie bezeichnende Handlung <strong>und</strong><br />

Gestalt durch jegliche Form <strong>in</strong> körperlicher Bewegung aus. Dadurch unterscheidet sie sich<br />

wiederum von den Anderen der "historia". Sie zeichnet sich als unterschiedene "persona"<br />

aus, stellt somit ihre psychische Besonderheit dar.<br />

Dabei wird der "habitus" von e<strong>in</strong>er festen Anzahl von Regeln bestimmt, deren<br />

gesellschaftliche Signalfunktion den jeweiligen "modus" bestimmt. (habitus > modus)<br />

Für diese Überlegung Albertis gilt - wie übrigens auch für alles noch Folgende -, daß wir<br />

derartige theoretische Synthesen zeitlich immer als e<strong>in</strong>er praktischen Entwicklung <strong>und</strong><br />

Erprobung um etwa e<strong>in</strong>e Generation nachfolgend, also als später begreifen müssen: In ihnen<br />

wurden künstlerische Lösungen, die m<strong>in</strong>destens 10 bis 30 Jahre zuvor produziert worden<br />

s<strong>in</strong>d, auf den zusammenfassenden Begriff gebracht. Das bildnerische Denken war <strong>und</strong> ist<br />

dem Denken <strong>in</strong> Begriff zeitlich voraus. Welche Praxis also reflektierte Alberti?<br />

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