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Bildnis in Bild und Wort - Walter Peter Gerlach, Forschungsprojekte

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Donatello/Desiderio da Settignano, Büste des Niccolò Uzzano/ G<strong>in</strong>o Capponi, Florenz (1420:<br />

18<br />

Poeschken/1450: Schlegel) vergleiche mit D.Settignano, Cäsar 1450-53, Louvre.<br />

Die Florent<strong>in</strong>er Büste ist nach e<strong>in</strong>em Abguß des Toten gefertigt. Und dennoch ist strittig, wer<br />

abgebildet ist. Wenn die alternative Zuschreibung <strong>und</strong> die spätere Datierung <strong>in</strong> die 50er<br />

Jahre zutrifft, kommt Uzzano nicht <strong>in</strong> Frage, der 1432 verstorben ist. Die Vermutungen. wer<br />

denn das nun sei, gehen <strong>in</strong> verschiedene Richtungen: an Cicero ist gedacht worden: Marcus<br />

Tullius Cicero (106 - 43 v.Chr.:105 f/:246 stud. -77 <strong>in</strong> Rhodos). E<strong>in</strong>e Lösung steht noch aus.<br />

Wie das auch immer gelöst werden mag, daß es sich dem Gestus nach um e<strong>in</strong>e Imitatio al<br />

antica handelt, dürfte e<strong>in</strong>leuchten, die Cäsaren-Ähnlichkeit mag Zufall se<strong>in</strong>, die Adler-<br />

Ähnlichkeit gepaart mit der Wendung <strong>und</strong> der Haltung des Kopfes s<strong>in</strong>d es ke<strong>in</strong>esfalls: hier<br />

ist ableitbare Gestaltung am Werk, Ausdruck e<strong>in</strong>es literarisch manifesten, lesbaren<br />

H<strong>in</strong>weises auf die virtù des Dargestellten. 19<br />

<strong>Peter</strong> Parler, Prager Büsten (1370/80): <strong>Peter</strong> Parler; Wenzel von Radec, Prag, Veitsdom.<br />

Parlers <strong><strong>Bild</strong>nis</strong>büsten entziehen sich bisher völlig e<strong>in</strong>er näheren Bestimmung. Was an ihnen<br />

macht das spezifische des <strong>in</strong>dividuellen <strong><strong>Bild</strong>nis</strong>ses aus, außer, daß sie eben realistisch<br />

seien. Die Differenzen zwischen jedem e<strong>in</strong>zelnen von ihnen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Tat erheblich. Und<br />

kaum e<strong>in</strong>e strukturelle Geme<strong>in</strong>samkeit läßt sich an ihnen aufweisen. Auch dieses Problem<br />

müssen wir unbeantwortet liegen lassen, wo die Forschung es h<strong>in</strong>terlassen hat.<br />

Texte der Physiognomik haben hier sche<strong>in</strong>bar nur Plattitüden anzubieten.<br />

Hier stellt sich demnach die letzte Frage heute: die nach den Kriterien für die<br />

<strong><strong>Bild</strong>nis</strong>beschreibung.<br />

Wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Arbeit zum <strong><strong>Bild</strong>nis</strong> des Französischen Königs Karl des V. zu den M<strong>in</strong>iaturen<br />

im Krönungsbuch (London, 1364) angesichts der Salbungsszene fol.50 v; Detail: Karl V. <strong>und</strong><br />

Bischof<br />

auf das charakteristische Profil des Königs <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e genaue Erfassung durch den<br />

M<strong>in</strong>iaturisten h<strong>in</strong>gewiesen wird, dann darf man sich doch fragen, wieso denn der Bischof<br />

ebenfalls e<strong>in</strong>e ungewöhnlich prom<strong>in</strong>ente Nase aufweist.<br />

Ja selbst der Hofstaat - wie die nächste Szene fol.51; Detail, Hofstaat zeigt - zeichnet sich<br />

Person für Person durch e<strong>in</strong>e prom<strong>in</strong>ente Nase aus: Handelt es sich hier um e<strong>in</strong>e bildliche<br />

"Imitatio imperatorii" oder ist dar<strong>in</strong> Familienähnlichkeit angedeutet?<br />

Wenn nun der Literaturkritiker von 'Porträt' spricht, dann verwendet er diesen Begriff<br />

20<br />

metaphorisch, e<strong>in</strong>e Metaphorik, die dem <strong>Bild</strong>-<strong>Wort</strong>-feld 'pictor' - 'poeta' angehört. Dieses<br />

<strong>Bild</strong>-<strong>Wort</strong>-Feld läßt sich beliebig durch neue Metaphern bereichern, die dem gegenwärtigen<br />

Verständnis ohne weiteres zugänglich s<strong>in</strong>d, so etwa, wenn man von e<strong>in</strong>er epischen Porträt-<br />

Galerie oder ähnlichem sprechen wollte.<br />

Die weitgehend von Verdächtigungen ungestörte Hochschätzung des Visuellen im späten<br />

Mittelalter <strong>und</strong> der frühen Neuzeit gründet <strong>in</strong> der Überzeugung von natürlichen, von Gott<br />

geschaffenen Beziehungen zwischen dem Sichtbaren des Physischen <strong>und</strong> dem Unsichtbaren<br />

des Geistigen. Dies gilt für alle Bereiche der Welt <strong>und</strong> des Kosmos <strong>und</strong> deren<br />

Wechselwirkung gleichermaßen, geläufiger unter dem Begriff von Mikro- <strong>und</strong> Makrokosmos.<br />

Gerade auch die katholische Kirche unterstützte durch ihre kultische Praxis diese<br />

Hochschätzung des Visuellen für ihre kultischen Bedürfnisse. Etwa im S<strong>in</strong>ne der Imitatio<br />

Christi - wie an Dürer gezeigt - oder denken sie an die überaus häufigen theatermäßigen<br />

Aufführungen von biblischen Stücken <strong>in</strong> Kirchenräumen.<br />

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