medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios
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Die Hintergründe, vor denen <strong>aus</strong> Konsum<br />
o<strong>der</strong> schädlichem Konsum plötzlich eine<br />
Suchterkrankung wird, sind individuell<br />
und vielfältig. Die erhebliche Stigmatisierung<br />
durch die Zuschreibung einer Suchterkrankung<br />
[2] erklärt den Versuch, zur<br />
Entlastung den Hintergrund o<strong>der</strong> Auslöser<br />
als eigentliches psychisches Drama anzuführen,<br />
auf das sich die Sucht nur aufgepropft<br />
habe. Und diese Fälle gibt es auch<br />
tatsächlich. [6]<br />
Aber nicht jedem, <strong>der</strong> im Zwiespalt zwischen<br />
Wollen und Können zu einer stimulierenden<br />
o<strong>der</strong> sedierenden Substanz<br />
gegriffen o<strong>der</strong> versucht hat, innere Dis -<br />
harmonie mit Glücksspiel, Kaufen o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>em befriedigendem Verhalten zu<br />
kompensieren, ist deshalb gleich eine<br />
krankheitswertige psychische Störung<br />
zuzuordnen. Wir kennen viele auch schwer<br />
gestörte Patienten, bei denen sich nur die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Suchterkrankung über<br />
viele Jahre zurückverfolgen lässt, an<strong>der</strong>e<br />
gravierende psychische Störungen hingegen<br />
nicht. Die süchtige Entwicklung geht<br />
allerdings mit einer – grundsätzlich reversiblen<br />
– Verhaltensauffälligkeit einher, die<br />
<strong>der</strong> ungestörten Beschaffung des Sucht -<br />
mittels sowie <strong>der</strong> Verdeckung und Verleugnung<br />
<strong>der</strong> Krankheit dient. Sie kann so<br />
krass und <strong>aus</strong>geprägt sein, dass über Jahre<br />
ernsthaft die inzwischen wi<strong>der</strong>legte Hypothese<br />
von einer vorbestehenden Suchtpersönlichkeit<br />
diskutiert wurde. Im Verlauf<br />
einer schweren Suchterkrankung können<br />
sich nicht nur somatische Begleit- und Folgeerkrankungen,<br />
son<strong>der</strong>n auch an<strong>der</strong>e –<br />
quasi reaktive – psychische Störungen von<br />
Krankheitswert <strong>aus</strong>bilden.<br />
Entstehungsmöglichkeiten<br />
Es besteht weithin eine wissenschaftliche<br />
Übereinstimmung in <strong>der</strong> Auffassung, dass<br />
bei Süchten verschiedene Bedingungskomplexe<br />
– auf <strong>der</strong> sozialen, personalen und<br />
biologischen Ebene – beteiligt sind. Diese<br />
Psychiatrie und Psychotherapie<br />
Können psychisch Gesunde süchtig<br />
werden?<br />
O<strong>der</strong> ist Sucht immer ein Symptom einer an<strong>der</strong>en psychischen Störung?<br />
Dr. Kl<strong>aus</strong> Behrendt, Dr. Erich Trüg<br />
Bei Menschen, die zum Beispiel eine Schizophrenie haben, würde kein Mediziner und vermutlich auch kein<br />
an<strong>der</strong>er vernünftiger Mensch auf die Idee kommen, die Krankheit sei eigentlich immer ein Symptom einer<br />
an<strong>der</strong>en psychischen Störung. Dabei entwickelt auch sie sich oft schleichend wie die Suchterkrankung. Auch hier<br />
gibt es das geflügelte Wort „sind wir nicht alle ein bisschen schizophren?“. Doch das Verhalten, das nur bei wenigen<br />
letztendlich süchtig entgleist, kann sehr lange als normales, vielleicht lange auch als schädliches Verhalten bestehen,<br />
über das <strong>der</strong> Mensch aber noch die Kontrolle hat. Entsprechend hielt Joël, ein Suchtexperte, von dem wir auch<br />
heute noch viel lernen können, bereits 1928 fest: „Der Unterschied zwischen dem Süchtigen und dem so genannten<br />
Normalen ist kein wesentlicher, son<strong>der</strong>n ein gradmäßiger, wenn auch oft von gewaltigem Ausmaß.“ [3]<br />
Ebenen sind we<strong>der</strong> aufeinan<strong>der</strong> zu reduzieren<br />
noch jeweils gleich wichtig. In<br />
unterschiedlichen Phasen dominieren verschiedene<br />
Aspekte. [1]<br />
Das „magische Dreieck“ von Droge, Um -<br />
welt und Person, in dem sich das süchtige<br />
Verhalten abspielt, [4] illustriert lediglich ein<br />
gegenseitiges Bedingungsgefüge. Dabei<br />
bleibt noch völlig offen, mit welchen Anteilen<br />
die jeweiligen Faktoren <strong>für</strong> verschiedene<br />
Gruppen von Menschen o<strong>der</strong> im Verlauf<br />
einer individuellen Karriere bestimmend<br />
sind – also welche Bedeutung etwa <strong>der</strong><br />
Drogenwirkung im Verhältnis zur sozialen<br />
Situation o<strong>der</strong> psychischen Verfassung<br />
zukommt und wie die Rückkopplungsprozesse<br />
<strong>aus</strong>sehen und im weiteren Verlauf zu<br />
gewichten sind. Suchtmittelkonsum kann<br />
beson<strong>der</strong>s lustvoll beziehungsweise angenehm<br />
und positiv verstärkend erlebt werden,<br />
wenn nüchtern keine o<strong>der</strong> nur unzureichende<br />
positiven Erfahrungen gemacht<br />
wurden (Erfahrungsdefizit) o<strong>der</strong> in<br />
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