Das Auge und die Rückkehr des Verdrängten in Stanley Kubricks ...

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Lady Lyndon stumm ihre Liebesblicke am Spieltisch austauschen. Diese
Szene demonstriert, „wie sehr sich Kubrick der affektmäßigen Funktion des
Blickes im 18. Jahrhundert bewusst ist“ 23 , stellt aber zugleich eine Ausnahme
dar in der Reihe Kubrickscher Liebesszenen. Sind solche in der Regel
verknüpft mit destruktivem, trieborientierten Verhalten, bekundet dieses Paar
kurz darauf seine Liebe. Doch ehe der Zuschauer sich über eine
Liebesszene wundern kann, die einmal nicht von Sexismus und Gewalt
dominiert wird, erlebt er Barry als einen treulosen Ehemann, der seine Triebe
ungeniert in wilden Orgien auslebt. Der Film zeigt letztlich also auch nur das
Scheitern des Rationalisierungsprozesses, in welchem „um es
schlagwortartig zu sagen, das Bewußtsein weniger triebdurchlässig und die
Triebe weniger bewußtseinsdurchlässig“ 24 werden. So formuliert es Elias und
verweist damit ganz klar auf eine Spaltung des Ichs. All jenes, was man nicht
mit der Vernunft erklären kann – wie eben den Tod oder die Erotik – ist im
Endeffekt zu sehr Bestandteil menschlichen Seins, als dass eine
Ausgrenzung ohne Folgen einhergehen könnte. Und so negiert Kubrick eine
Triebsublimation durch den Sehvorgang nicht nur, er stellt vielmehr dar, dass
gerade die Unterdrückung eine eruptive Entäußerung bedingt. Der Akt des
Sehens wird bei Kubrick also stets mit den Aspekten des Todes und der
Erotik verbunden. Selten treffen sich die Blicke der Männer und Frauen.
Wenn aber, dann ist dieser Augenkontakt sexistisch und destruktiv angelegt.
Am deutlichsten lässt sich diese Synthese in dem Film The Shining belegen:
Jack hält eine attraktive Frau in den Armen und betrachtet diese über einen
Spiegel, kurz bevor sie sich in eine alte, verweste Frau verwandelt. Ebenso
erwähnenswert ist an dieser Stelle eine Szene aus dem Film A Clockwork
Orange, in der der Protagonist Alex auf die Katzenfrau herab blickt, kurz
bevor er sie mit einem Plastikphallus erschlägt.
4.3 Das Auge als Waffe
An dem Computerauge von HAL 9000 habe ich bereits exemplarisch
erläutert, wie Kubrick das Auge als eine tödliche Waffe darstellt. Der Macht
des Auges begegnen wir aber auch in anderen Filmen Kubricks, wie etwa in
Barry Lyndon. Dort stehen sich Barry und Quin im Duell gegenüber. Der Blick
23 Ebd., Seite 135
24 Norbert Elias: Über den Prozeß der Zivilisation, Seite 390