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Das Auge und die Rückkehr des Verdrängten in Stanley Kubricks ...

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9<br />

Entwicklung der Zivilisation <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Hauptwerk Über den Prozess der<br />

Zivilisation als e<strong>in</strong>en psychodynamischen Prozess beschreibt. In se<strong>in</strong>er<br />

Arbeit kommt er unter anderem zu dem Ergebnis, dass <strong>die</strong> Gesellschaft sich<br />

vom Fremd- zum Selbstzwang entwickelt hat: „<strong>die</strong>se Selbstzwänge (…)<br />

führen unter Umständen zu e<strong>in</strong>er beständigen Unruhe <strong>und</strong> Unbefriedigtheit,<br />

eben weil e<strong>in</strong> Teil se<strong>in</strong>er Neigungen <strong>und</strong> Triebe nur noch <strong>in</strong> verwandelter<br />

Form, etwa <strong>in</strong> der Phantasie, im Zusehen oder Zuhören, im Tag- oder<br />

Nachttraum Befriedigung f<strong>in</strong>den kann (…)“ 10 Diese Äußerung belegt, dass<br />

das <strong>Auge</strong> zu jener Zeit als Instrument für e<strong>in</strong>e Triebsublimation gesehen<br />

wird. Im Gr<strong>und</strong>e hat <strong>die</strong> Aufklärung den Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> gelegt für <strong>die</strong> moderne<br />

Art <strong>des</strong> Voyeurs, der im Sehvorgang se<strong>in</strong>e Lust auslebt. Auf den<br />

Voyeurismus werde ich im Folgenden noch zu sprechen kommen.<br />

2.3 Die Romantik: <strong>die</strong> Dämonisierung <strong>des</strong> <strong>Auge</strong>s<br />

<strong>Das</strong> <strong>Auge</strong>nmotiv hat <strong>in</strong> der Romantik e<strong>in</strong>e gänzlich andere Bedeutung - ja, es<br />

ist gleichsam gegenläufig konzipiert. Ich beziehe mich hier auf das Zeitalter<br />

der Spätromantik, da <strong>die</strong>ses für das Schaffen <strong>Kubricks</strong> von Bedeutung ist.<br />

Ähnlich wie <strong>in</strong> der Aufklärung wird das <strong>Auge</strong>n-Symbol von den Romantikern<br />

säkularisiert <strong>und</strong> zum Zentralmotiv erhoben. Steht es <strong>in</strong> der Aufklärung für<br />

den Verstand, das Gute, so wird es bei den so genannten schwarzen<br />

Romantikern zum Ausdruck <strong>des</strong> Bösen, Dämonischen. Es ist Ort der<br />

Sexualität, <strong>des</strong> Wahns<strong>in</strong>ns <strong>und</strong> <strong>des</strong> To<strong>des</strong> - also jener metaphysischen<br />

Kräfte, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Aufklärung aus den Köpfen ihrer Gesellschaft auszugrenzen<br />

versucht. E<strong>in</strong>e Sublimation der Triebe im Sehvorgang wird nicht nur negiert,<br />

vielmehr wird das <strong>Auge</strong> selbst zum Trieborgan par excellence. In He<strong>in</strong>rich<br />

von Kleists Pr<strong>in</strong>z Friedrich von Homburg taucht <strong>die</strong> Verknüpfung <strong>des</strong> <strong>Auge</strong>s<br />

mit dem Tod auf. Der Pr<strong>in</strong>z soll von se<strong>in</strong>em Wahn geheilt werden, <strong>in</strong>dem<br />

man ihn schockiert <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong> eigenes Grab blicken lässt. Der Pr<strong>in</strong>z wird<br />

dadurch e<strong>in</strong>erseits von se<strong>in</strong>em Wahn kuriert, andererseits aber löst der Blick<br />

e<strong>in</strong>e schleichende To<strong>des</strong>sehnsucht aus.<br />

Und während <strong>in</strong> der Aufklärung den Sehapparaten e<strong>in</strong>e positive Bedeutung<br />

beigemessen wird, verknüpfen <strong>die</strong> Romantiker <strong>die</strong>se mit Gefahr, ja sogar<br />

dem Tod. Literatur <strong>die</strong>ser Zeit ist <strong>in</strong> höchstem Maße selbstreflexiv, da<br />

10 Norbert Elias: Über den Prozeß der Zivilisation. Zweiter Band. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1976, Seite 231-232

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