Das Auge und die Rückkehr des Verdrängten in Stanley Kubricks ...
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Sonne, <strong>die</strong> herrscht <strong>und</strong> richtet“ 3 symbolisieren soll. Hier also taucht bereits<br />
<strong>die</strong> Idee <strong>des</strong> allwissenden, allsehenden, omnipotenten Gottes auf. Die<br />
Verknüpfung <strong>des</strong> <strong>Auge</strong>s mit der Sonne hat zwei Gründe: zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dung mit dem Kosmos - „das <strong>Auge</strong> <strong>des</strong> Himmels, <strong>die</strong> überallh<strong>in</strong><br />
strahlende Sonne“ - zum anderen im moralisch-politischen Kontext – „das<br />
göttliche Sonnenauge „sol iustitiae“, Garant der Wahrheit, Gerechtigkeit, der<br />
Gesetze <strong>und</strong> Verträge, der omnipräsente Zeuge <strong>und</strong> gerechte Richter.“ 4 Die<br />
humanistischen Allegoriker entlehnen das E<strong>in</strong>zelauge <strong>und</strong> zeigen es ebenso<br />
<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem Zepter als S<strong>in</strong>nbild der irdischen „Justitia“. E<strong>in</strong>e<br />
Erklärung für <strong>die</strong> E<strong>in</strong>äugigkeit <strong>des</strong> Gottesemblems ist <strong>in</strong> der Zohar, der gegen<br />
Ende <strong>des</strong> 13. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>in</strong> Spanien entstandenen Hauptschrift der<br />
jüdischen Kabbala, zu f<strong>in</strong>den: hier wurde der Volksglaube übernommen, nur<br />
das rechte <strong>Auge</strong> sei gut. <strong>Das</strong> l<strong>in</strong>ke galt als schlecht. Gott habe <strong>des</strong>halb nur<br />
das e<strong>in</strong>e, gute <strong>Auge</strong>, während <strong>die</strong> Menschen als irdische, unvollkommene<br />
Wesen eben zwei besäßen - e<strong>in</strong> gutes <strong>und</strong> e<strong>in</strong> schlechtes. 5<br />
2.2 Die Aufklärung: das <strong>Auge</strong> als Symbol der Vernunft<br />
„<strong>Das</strong> hat mir <strong>die</strong> <strong>Auge</strong>n geöffnet!“ Diese Redewendung drückt im Gr<strong>und</strong>e das<br />
aus, was im Zeitalter der Aufklärung mit dem Vorgang <strong>des</strong> Sehens<br />
verb<strong>und</strong>en wird: Erkenntnis. In <strong>die</strong>ser Epoche ist e<strong>in</strong> Transzendenzverlust<br />
festzustellen. Dennoch spielt das <strong>Auge</strong> im Zuge <strong>des</strong> gesellschaftlichen<br />
Rationalisierungsprozesses der Aufklärung e<strong>in</strong>e große Rolle. Die<br />
metaphysische weicht e<strong>in</strong>er rationalen Bedeutungsebene, <strong>und</strong> das<br />
<strong>Auge</strong>nemblem steht fortan im Zeichen der vergöttlichten Vernunft.<br />
Ke<strong>in</strong>eswegs verliert es also an gesellschaftlicher Bedeutung, vielmehr wird<br />
es lediglich säkularisiert. „Die alte theologische Bedeutung <strong>des</strong> <strong>Auge</strong>s<br />
Gottes, das alles sieht <strong>und</strong> alles durchdr<strong>in</strong>gt, geht auf den therapeutischen<br />
Blick über. Arzt <strong>und</strong> Pfleger s<strong>in</strong>d ihrer Rolle nach Herrgott <strong>und</strong> Dompteur<br />
zugleich,…“ 6<br />
Joachim Metzner untersucht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em gleichnamigen Aufsatz <strong>die</strong><br />
Geschichte <strong>und</strong> Ästhetik <strong>des</strong> therapeutischen <strong>Auge</strong>nblicks. Da er dabei stets<br />
3 Ebd., Seite 213<br />
4 Ebd., Seite 213<br />
5 Ebd., Seite 217<br />
6 Joachim Metzner: Geschichte <strong>und</strong> Ästhetik <strong>des</strong> therapeutischen <strong>Auge</strong>nblicks. In: <strong>Auge</strong>nblick <strong>und</strong> Zeitpunkt.<br />
Stu<strong>die</strong>n zur Zeitstruktur <strong>und</strong> Zeitmetaphorik <strong>in</strong> Kunst <strong>und</strong> Wissenschaft, hrsg. von Christian W. Thomsen <strong>und</strong><br />
Hans Holländer. Darmstadt 1984, Seite 96-97