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Das Auge und die Rückkehr des Verdrängten in Stanley Kubricks ...

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25<br />

In Paths of Glory erleben wir e<strong>in</strong>e solche Situation: statt der üblichen<br />

Mischung aus treuen Kameraden <strong>und</strong> boshaften Offizieren im Genre <strong>des</strong><br />

Kriegsfilmes trennt Kubrick hier nicht zwischen „Gut“ <strong>und</strong> „Böse“. Vielmehr<br />

zeigt er auf, dass all se<strong>in</strong>e Figuren – ob nun Grabenkämpfer oder General -<br />

<strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form am kriegerischen Wahns<strong>in</strong>n teilhaben. Colonal Dax steht<br />

zwischen den Parteien, schickt se<strong>in</strong>e Männer <strong>in</strong> den Tod, um sich später<br />

darüber zu beklagen. „Die e<strong>in</strong>en kann er nicht retten, <strong>die</strong> anderen nicht<br />

richten. So bleibt er der hilflose Voyeur <strong>des</strong> Grauens, der ideale Zeuge.“ 56<br />

6.2 Der Zuschauer, e<strong>in</strong> Voyeur <strong>und</strong> Formen <strong>des</strong> Selbstzitats<br />

„Wir s<strong>in</strong>d alle Voyeure, sei’ s auch nur, wenn wir uns e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>timen Film<br />

anschauen. James Stuart an se<strong>in</strong>em Fenster, das ist übrigens <strong>die</strong> Situation<br />

<strong>des</strong> K<strong>in</strong>ozuschauers.“ 57 Francois Truffaut äußert <strong>die</strong>s zwar zu dem Film<br />

„Rear W<strong>in</strong>dow“ von Alfred Hitchcock, doch letztlich lässt sich se<strong>in</strong>e Äußerung<br />

ebenso auf <strong>die</strong> Filme <strong>Kubricks</strong> übertragen. Der Aspekt <strong>des</strong> Voyeurismus<br />

manifestiert sich besonders <strong>in</strong> dem Film A Clockwork Orange. „Ke<strong>in</strong>e Frage:<br />

Es geht <strong>in</strong> A Clockwork Orange um Gewalt <strong>und</strong> Sex <strong>und</strong> deren unheilvolle<br />

Verb<strong>in</strong>dung. Doch der Film handelt auch von Blicken <strong>und</strong> Bildern, von<br />

Voyeurismus <strong>und</strong> Schauspiel, von Darstellern <strong>und</strong> Zuschauern. Und damit<br />

vom K<strong>in</strong>o.“ 58 Gewalt wird gesellschaftlich akzeptiert, solange sie sich<br />

ritualisiert <strong>und</strong> <strong>in</strong> bestimmten Bereichen abspielt. <strong>Das</strong> erleben wir <strong>in</strong> Barry<br />

Lyndon, wenn Boxkämpfe <strong>und</strong> Duelle vor unbeteiligten Zuschauern<br />

stattf<strong>in</strong>den. Analog zu <strong>die</strong>sem Publikum können auch wir K<strong>in</strong>ozuschauer<br />

„visuell jene Affekte ausleben, <strong>die</strong> aus der gesellschaftlichen Realität<br />

ausgegrenzt worden s<strong>in</strong>d. Der hohe Anteil von „Sex and Crime“-<br />

Darstellungen im K<strong>in</strong>o macht noch e<strong>in</strong>mal deutlich, um welche Art von<br />

Affekten es sich dabei handelt.“ 59<br />

„Die Verlagerung der Triebäußerung von der Handlung <strong>in</strong>s re<strong>in</strong>e Zuschauen<br />

gilt als Schritt <strong>in</strong> Richtung fortschreitender Zivilisierung.“ 60 An Alex, dem<br />

Protagonisten aus A Clockwork Orange, wird eben <strong>die</strong>ser Zivilisationsschritt<br />

vollzogen, wenn er <strong>in</strong> der Ludovico-Kur lernt, se<strong>in</strong>e Triebe im Sehvorgang zu<br />

56<br />

Andreas Kilb: Der Herr <strong>des</strong> <strong>Auge</strong>s, Seite 21<br />

57<br />

Francois Truffaut: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? München 1973, Seite 212<br />

58<br />

Andrea Hanke/ Annette Kilzer: „Ode to überviolence“: A Clockwork Orange. In: <strong>Stanley</strong> Kubrick. Red. Dieter<br />

Bertz. Berl<strong>in</strong> 1999, Seite 176<br />

59<br />

Kay Kirchmann, Seite 149<br />

60<br />

Andrea Hanke/ Annette Kilzer: „Ode to überviolence“: A Clockwork Orange, Seite 176

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