Das Auge und die Rückkehr des Verdrängten in Stanley Kubricks ...

1. Einleitung
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„Das Auge ist das gefährlichste Organ in Kubricks Filmen; es ist, im
Freudschen Sinn, Verlängerung, Ausdruck und Ersatz des Phallus´ als
Waffe, und es ist zugleich das Gefährdetste.“ 1 Dieses Zitat deutet bereits an,
dass Kubrick das Auge stets mit Aspekten des Todes oder der Erotik
verbindet. Seine Filme repräsentieren damit eine neue Trinität: Auge, Eros
Thanatos. Ein Blick auf die Filmtitel verdeutlicht die Verschränkung jener
Triebe, die für Kubrick das menschliche Bewusstsein beeinflussen: The
Killer´s Kiss, Dr. Strangelove, oder wie ich lernte die Bombe zu lieben, Fear
and Desire usw. Aber wie kommt Kubrick zu dieser negativen Darstellung
des Augenmotivs? Ganz klar, zwei epochale Größen sind zu
berücksichtigen, will man sein Werk verstehen: die Aufklärung und die
Romantik. Dabei geht es ihm jedoch weniger um eine historische
Aufarbeitung, als vielmehr um die modellhafte Darstellung.
Für die Einen ist es die Epoche und der Ausgangspunkt des Fortschritts, für
Kubrick ist es vielmehr Ursprung für die ungelösten Probleme der
Gegenwart: das 18. Jahrhundert. Im Brennpunkt steht für ihn der
Rationalisierungsprozess, der im Zuge der Aufklärung einsetzte. Das Auge
wurde zum Symbol für klarsichtige Vernunft. Und so verlagerte sich die
Vermittlung der Triebe von dem Geruchs- und Tastsinn auf den Sehvorgang.
Im Grunde hat die Aufklärung damit den Grundstein für die moderne Art des
Voyeurs gelegt, der im Sehvorgang seine Lust jedoch weniger sublimiert, als
vielmehr auslebt. Für die Romantiker gab es den vernünftigen, guten Blick
nicht. Nach ihrem Vorbild transformiert Kubrick das Augenemblem, das
fortan die verdrängten Seiten der Aufklärung symbolisierte: Tod und
Sexualität.
In der vorliegenden Arbeit werde ich also das Augenmotiv in Kubricks Filmen
untersuchen. Allein aus Platzgründen kann dabei nicht jeder Film explizit
1 Georg Seßlen/ Fernand Jung : Stanley Kubrick und seine Filme. Marburg 1999, Seite 48