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Das Auge und die Rückkehr des Verdrängten in Stanley Kubricks ...

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The Killer`s Kiss oder <strong>in</strong> A Clockwork Orange beim Überfall auf Mr. <strong>und</strong> Mrs.<br />

Alexander. „Durch <strong>die</strong> Kameraführung <strong>in</strong> <strong>Kubricks</strong> Filmen wird der Zuschauer<br />

unverstellt mit den Gewalttaten der Filmfiguren konfrontiert, schlimmer, er<br />

wird im dunklen K<strong>in</strong>osaal zum unmittelbar Beteiligten, fiktiv zwar, aber<br />

dennoch direkt, suggestiv <strong>und</strong> emotional.“ 64 Diese Gewaltbilder s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e<br />

wahre Bildergewalt, <strong>die</strong> auf e<strong>in</strong>en psychologischen Mechanismus im<br />

Zuschauer zurückzuführen ist. W. Baumann hat <strong>die</strong>sen Mechanismus als<br />

Genuss, als Lust an der Angst beschrieben. 65 Die Lust an der Angst<br />

entstehe, weil der Zuschauer rational wisse, dass er sich im sicheren<br />

K<strong>in</strong>osaal bef<strong>in</strong>de, während er sich emotional ganz der Sache auf der<br />

Le<strong>in</strong>wand h<strong>in</strong>gebe. Daher auch könne er se<strong>in</strong>en Gefühlen freien Lauf lassen.<br />

E<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er gewalttätigen Protagonisten gehören zum Künstlermilieu, was<br />

als Selbstreflexion über <strong>Kubricks</strong> eigenes Künstlerdase<strong>in</strong> zu verstehen ist. So<br />

s<strong>in</strong>d beispielsweise Jack <strong>in</strong> The Sh<strong>in</strong><strong>in</strong>g sowie Mr. Alexander <strong>in</strong> A Clockwork<br />

Orange Schriftsteller; Alex tritt <strong>in</strong> letztgenanntem Film als Aktionskünstler <strong>in</strong><br />

Ersche<strong>in</strong>ung <strong>und</strong> zelebriert den „Mord als schöne Kunst“. 66<br />

Spiegelbildlich erfährt Alex nach se<strong>in</strong>er Konditionierung im Gr<strong>und</strong>e das, was<br />

er zuvor Mr. Alexander angetan hat, der mit ansehen musste, wie se<strong>in</strong>e Frau<br />

vergewaltigt wurde. Aber musste er das wirklich? Hätte er nicht e<strong>in</strong>fach <strong>die</strong><br />

<strong>Auge</strong>n davor schließen können? Immerh<strong>in</strong> wurden ihm <strong>die</strong>se nicht künstlich<br />

offen gehalten, wie Alex während der Ludovico-Kur. Statt sie aber vor dem<br />

Grauen zu schließen, wie etwa Danny das <strong>in</strong> The Sh<strong>in</strong><strong>in</strong>g tut, reißt er sie auf.<br />

Kirchmann sieht dar<strong>in</strong> den Beleg dafür, dass Mr. Alexander Lust beim<br />

Zusehen der Vergewaltigung se<strong>in</strong>er eigenen Frau hat. Dadurch, dass Kubrick<br />

<strong>die</strong> Gewaltszene visuell ästhetisiert, bereiten uns <strong>die</strong> Bilder Frust <strong>und</strong> Lust<br />

zugleich. Wir, <strong>die</strong> Zuschauer, bef<strong>in</strong>den uns analog zu Mr. Alexander <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

ambivalent <strong>und</strong> grotesk anmutenden Situation. Aus se<strong>in</strong>er Perspektive<br />

erleben wir <strong>die</strong> Szene, <strong>und</strong> so s<strong>in</strong>d Alex zynische Wünsche auch direkt an<br />

uns adressiert: „Viddy well!“. Kubrick sche<strong>in</strong>t uns signalisieren zu wollen: der<br />

Voyeur im K<strong>in</strong>osaal, der se<strong>in</strong>e <strong>Auge</strong>n vor dem Grauen nicht schließt, das bist<br />

du! So entlarven <strong>die</strong> Blicke <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kamera den Zuschauer als Voyeur. Rother<br />

<strong>in</strong>terpretiert den Blick Alex <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kamera <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e zynischen Wünsche als<br />

64<br />

Ebd., Seite 37<br />

65<br />

W. Baumann, zitiert nach Werner C. Barg: Die Mechanismen der Gewalt – <strong>Stanley</strong> <strong>Kubricks</strong> K<strong>in</strong>o-Visionen,<br />

Seite 38<br />

66<br />

Kay Kirchmann: <strong>Das</strong> Schweigen der Bilder, Seite 105

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