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VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...

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Die „nichtarischen' 1 Studenten an den deutschen Hochschulen 205<br />

„Mischlinge" bedingt zuließen und auf diese Weise der endgültigen Entscheidung<br />

durch das REM und die Parteikanzlei Vorgriffen, weil einige Studenten bis dahin<br />

ihr Studium bereits beendet hatten 172 .<br />

Nachdem in der ersten Phase der Entwicklung die Mehrzahl der „nichtarischen"<br />

Studenten durch die antisemitische Hochschulgesetzgebung und die allgemeinen<br />

Diskrirninierungen und Beschränkungen von den Universitäten vertrieben worden<br />

war, kam schon seit etwa der Mitte der dreißiger Jahre der „Judenfrage" im Hochschulbereich<br />

kaum noch eine über Einzelfälle hinausgehende Bedeutung zu, bis<br />

sie dann ab 1940 in Gestalt des „Mischlingsproblems " wieder in den Vordergrund der<br />

offiziellen Erwägungen rückte. Es charakterisiert den Verlauf, daß parallel zur generellen<br />

Entrechtung in Deutschland die rechtliche und faktische Stellung der<br />

„Nichtarier" auch an den Hochschulen systematisch erschwert wurde. Die Entwicklung<br />

wurde durch die laufenden Veränderungen der größtenteils unveröffentlichten<br />

Erlasse des REM bestimmt, die bezeichnenderweise meist eine in der Praxis<br />

schon vollzogene Verschärfung nachträglich in ein gesetzgeberisches Gewand hüllten,<br />

welches aber unter erneuten Änderungen alsbald wieder zerfiel. Demgegenüber<br />

kommen den eher vereinzelten extensiven Auslegungen, Erweiterungen und<br />

Überschreitungen der Vorschriften im Sinne einer verschärften nationalsozialistischen<br />

Richtung in der Ministerialbürokratie der Länder, die vor allem später in der<br />

Rassenpolitik allerdings kaum noch eine entscheidende Rolle spielten, geringere<br />

Bedeutung zu. Das gleiche gilt wohl auch <strong>für</strong> einen Teil der Hochschulen, bei<br />

denen allerdings oftmals örtliche Konstellationen, die sich in diesem vielfältigen<br />

und wechselvollen Bereich einer Generalisierung weitgehend entziehen, über<br />

Gleichstellung oder Diskriminierung entschieden. Mit der Entmachtung des REM<br />

und der Universitäten durch Parteikanzlei und Gauleitung war dann entgegen den<br />

freilich begrenzten Bemühungen einzelner, in ihrer Stellung wirksamer oppositioneller<br />

Kräfte der Wissenschaft und Verwaltung am Ausgang des Krieges Hitlers<br />

Vorstellung verwirklicht: Die Gleichstellung eines „Mischlings" mit den „Deutschblütigen"<br />

stellte wie in der Wehrmacht so auch an den Universitäten eine seltene<br />

Ausnahme dar 173 .<br />

Die Ausschaltung der „Nichtarier" von den Hochschulen liefert im übrigen<br />

typische Beispiele <strong>für</strong> die Entwicklung der gesetzlichen Voraussetzungen und die<br />

Praktiken der nationalsozialistischen „Rassenauslese" in einem bestimmten öffentlichen<br />

Lebensbereich, bei der sich die Auslesekriterien immer wieder und schließlich<br />

bis zur Sinnlosigkeit verschärften, um eine „Legalisierung" und Stabilisierung<br />

zu verhindern, die die „Bewegung" vernichtet hätte. Die von Hannah Arendt ein-<br />

172<br />

Geh. StAB 876, 431, 445, REM an Parteikanzlei, 13. 11. 1944, Parteikanzlei an REM,<br />

4. 1. 1945.<br />

173<br />

Vgl. Absolon, a. a. O., S. 120. — Die Wiedergutmachung dieses Unrechts leidet auch<br />

nach dem Erlaß des Bundesentschädigungs-Schlußgesetzes v. 14. 9. 1965 an manchen Unzulänglichkeiten.

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