VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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190 Albrecht Götz von Olenhusen<br />
lingen ersten Grades" zum mindesten theoretisch ein Hochschulstudium noch<br />
nicht verwehrt. Allerdings wurden seit Anfang 1935 „nichtarische" Kandidaten<br />
der Medizin, Zahnheilkunde und Pharmazie, die ihr Studium 1933 oder später be<br />
gonnen hatten, nur „in ganz besonderen Ausnahmefällen" mit jeweiliger ministe<br />
rieller Zustimmung zur Staatsprüfung zugelassen. Eine Aussicht auf Approbation<br />
bestand nur, wenn der Kandidat Frontkämpfer gewesen war oder wenn er als<br />
„Mischling zweiten Grades" „nach seelischer Haltung und entsprechendem Aus<br />
sehen einwandfrei" erschien 81 . Als vor allem seit Anfang 1938 allmählich in eine<br />
Phase verschärfter Rassenpolitik übergeleitet wurde, machte ein Ministerialerlaß<br />
vom 23. April 1938 die Immatrikulation grundsätzlich vom sogenannten Arier<br />
nachweis abhängig 82 . Zwar wurde andererseits am 9. Juni 1938 bestätigt, daß<br />
„Mischlinge ersten Grades" weiterhin studieren dürften 83 ; sie konnten jedoch seit<br />
Mitte 1937 an den Universitäten von Vorlesungen und Übungen „rein persönlichen<br />
Charakters" ausgeschlossen werden 84 . Und seit dem 1. Oktober 1938 durften die<br />
Rektoren Juden nun auch nicht einmal mehr als Gasthörer zulassen 85 .<br />
Zu erneuten Verschärfungen bot dann der Pogrom vom 9. November 1938 den<br />
erhofften Anlaß 86 . Den „Volljuden" wurde daraufhin das Betreten der Universität<br />
zunächst untersagt. Doch während zur gleichen Zeit alle jüdischen Schüler aus den<br />
Schulen entlassen wurden, ging man bei den Studenten anscheinend etwas weniger<br />
radikal vor 87 . Immerhin wurde aber von nun an jedenfalls die Mehrzahl der sich<br />
bewerbenden „Mischlinge ersten Grades" nicht mehr immatrikuliert 88 .<br />
81 Ausführungsanw. z. VO d. RMdl v. 5. 2. 1935 - IV e 83/35 - (RMB1. S. 65) über Änderung<br />
d. Prüfungsordnungen d. Ärzte u. Zahnärzte, in: DtschWiss. 1935, S. 224; Ausführungsanw.<br />
d. RMdl v. 27. 5. 1935 - IV e 2061/35 - (nicht veröff., Abschr. im Erl. d. REM v.<br />
19. 6. 1935 -Wli 2087 -, in: FÜA XIV/X, 18). Hier mag z. T. auch die Überfüllung dieser<br />
Berufszweige mitgespielt haben, vgl. RdErl. d. REM v. 24. 3. 1937 betr. Aufhebung d. Sperre<br />
d. Neuzugangs z. zahnärztl. Studium u. z. Dentistenberuf in: DtschWiss. 1937, S. 187.<br />
82 Erl. d. REM v. 23. 4. 1938 in: Die deutsche Hochschulverwaltung, Sammlung der das<br />
Hochschulwesen betreffenden Gesetze, Verordnungen und Erlasse, hrsg. v. G. Kasper, H. Huber,<br />
K. Kaebsch u. Fr. Senger, 2 Bde, Berlin 1942/43, II, S. 369/370.<br />
83 Graml, Mischlinge und Mischehen, a. a. O., S. 69.<br />
84 FUA XIV/2, 18, Erl. d. REM v. 13. 5. 1937 - WJ 1594 -; dazu zählten nicht die Vorlesungen<br />
und Übungen, die Prüfungsvoraussetzungen waren. Richtlinien darüber, welche Vorlesungen<br />
als „rein persönliche" bezeichnet werden könnten, wurden in Aussicht gestellt, sind<br />
aber anscheinend nicht ergangen.<br />
85 RdErl. d. REM v. 9. 6. 1938 in: DtschWiss. 1938, S. 294.<br />
86 Dazu vgl. etwa Krausnick, a. a. O., S. 331 ff. mit weit. Nachw.; K. R. Grossmann, Die<br />
letzte Phase, in: Judenfeindschaft, hrsg. v. K. Thieme, Frankfurt a. M. 1963, S. 269ff.; Graml,<br />
Goebbels' Pogrom, in: Frankf. Allg. Ztg. v. 9. 11. 1963, Nr. 261 (Beil.: Ereignisse und Gestalten);<br />
ders., Der 9. November 1938, a. a. O., S. 61ff.; Lamm, a. a. O., S. 50f.<br />
87 FUA XIV/2, 18, telegraf. Ermächtigung d. REM f. d. Rektor d. Univ. Freiburg, 11. 11.<br />
1938 — WJ 5001/38 -, „inländischen jüdischen Studierenden bis zur weiteren Entscheidung<br />
die Teilnahme an den Vorlesungen und Übungen sowie das Betreten der Hochschule zu verbieten".<br />
- Damals studierte in Freiburg noch ein jüdischer Student, der Ende 1938 mit dem<br />
Examen abschloß (Verm. d. Rektorats, 29. 12. 1938). - Eine Anordnung d. REM v. 22. 2. 1939<br />
- WJ 534 -, welche die jüdischen Studenten, die wegen des Universitätsverbots ihre Exmatri-