VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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142 Ernst Sodeikat<br />
legend anders geworden. Im Haushaltsjahr 1934 zeigte sich gegenüber dem Haushaltsjahr<br />
1933 eine weitere Verminderung der Einnahmen. Dazu kamen sehr<br />
schwere Belastungen auf der Ausgaben-Seite des Etats, u. a. die Verzinsung und Tilgung<br />
der zur Durchführung des großen nationalsozialistischen Arbeitsbeschaffungsprogramms<br />
von 1933 notwendig gewordenen Kapitalbeschaffungen. Ebenso wie im<br />
Reich war auch in Danzig <strong>für</strong> die Nationalsozialisten das Arbeitsbeschaffungsprogramm<br />
ein Kernpunkt ihrer wirtschaftspolitischen Aktivität, um so schnell wie<br />
möglich die Arbeitslosen von der Straße wegzubringen. Im Reich ließ sich das durchführen<br />
mit Hilfe der Schachtschen Kreditpolitik, die auf einer Erhöhung der Staatsschulden<br />
basierte in der Voraussicht auf Deckung durch den zu erwartenden Konjunkturaufschwung.<br />
In Danzig war eine solche Kreditpolitik nicht so einfach zu<br />
bewerkstelligen, da die vom Völkerbund geschaffene Danziger Staatsbank, an der<br />
ausländische Staatsbanken beteiligt waren, die Deckung der Danziger Währung<br />
regelmäßig nachzuweisen hatte. Als Senatspräsident Rauschning Hitler auf diese<br />
Schwierigkeiten aufmerksam machte, schlug dieser ihm vor, <strong>für</strong> den jeweiligen<br />
Stichtag vom Reich ein paar Devisen auszuleihen; im übrigen brauche die Danziger<br />
Währung nicht mit 40% gedeckt zu sein, 10% würden genügen. Es war nicht zuletzt<br />
diese vollkommen verantwortungslose Art der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik,<br />
die zum Rücktritt Rauschnings führte.<br />
Das „Große nationalsozialistische Arbeitsbeschaffungsprogramm" brachte keinen<br />
sichtbaren Erfolg. Die finanzielle Belastung des Freistaates war groß, der<br />
praktische Nutzen gering. Die nationalsozialistische Regierung griff - um die Lage<br />
zu verbessern — zu drastischen Maßnahmen; eine von ihnen war die Kürzung der<br />
Bezüge der Beamten, Pensionäre, Angestellten und Hinterbliebenen. Tatsächliche<br />
und andere besondere Haushaltsausgaben, die nicht auf gesetzlichen oder sonstigen<br />
rechtlichen Verpflichtungen beruhten, wurden um 20 Prozent gekürzt. Besonders<br />
gravierend war hierbei, daß diese Kürzungen auch die Etats der Gemeinden und<br />
öffentlich-rechtlichen Körperschaften betrafen. Bei den einmaligen Ausgaben wurde<br />
noch eine weitere Kürzung der Haushaltsansätze um 25 Prozent angeordnet. Besonders<br />
betroffen wurde durch diese Maßnahmen der gewerbliche Mittelstand, dem<br />
die Nationalsozialisten so viele Versprechungen gemacht hatten.<br />
Trotz dieser Lage, die doch eine stabile Regierung erfordert hätte, hielten es<br />
Gauleiter Forster und seine Berater Anfang 1935 <strong>für</strong> richtig, bereits zwei Jahre vor<br />
Ablauf der Legislaturperiode eine Auflösung des Volkstages und neue Wahlen anzustreben.<br />
Dabei sollte der Sog der Saarabstimmung ausgenutzt werden, die am<br />
13. Januar 1935 mit 91 von je 100 Stimmen ein entschiedenes Votum <strong>für</strong> den Wiederanschluß<br />
an Deutschland gebracht hatte. Dieses Ergebnis wurde von den Nationalsozialisten<br />
allerdings mehr als ein starkes Bekenntnis zu ihrer Partei als ein Bekenntnis<br />
zum Deutschtum ausgelegt. Die Berater Forsters hatten ihm auf Grund<br />
dessen als Mindestgewinn <strong>für</strong> die NSDAP bei einer neuen Volkstagswahl den sicheren<br />
Gewinn der Zweidrittelmehrheit prophezeit.<br />
Mitte Februar 1935 richtete der Präsident des Senats, Greiser, an die nationalsozialistische<br />
Fraktion des Danziger Volkstags ein Schreiben, in dem er sie bat, den