VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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Die „nichtarischen" Studenten an den deutschen Hochschulen 181<br />
außerdem von allen „national Unzuverlässigen", besonders den linksgerichteten<br />
Studenten, „gesäubert" wurden 32 , die teilweise bis zum Rassenterror gesteigerte<br />
antisemitische Stimmung und die neue Gesetzgebung als gewichtigste Faktoren<br />
zur Ausschaltung jüdischer Studenten; eine bedeutende Anzahl brach unter diesen<br />
Umständen mehr oder weniger freiwillig ihr Studium in Deutschland ab. Auch<br />
die jüdischen Studentenverbindungen wurden, soweit sie sich nicht schon selbst<br />
der Gewalt gebeugt hatten, von einzelnen Universitäten auf ministerielle Anordnung<br />
hin im Sommersemester 1933 aufgelöst oder mußten — spätestens zur gleichen<br />
Zeit wie die anderen studentischen Gemeinschaften, denen Gleichschritt mit<br />
dem Nationalsozialismus oder Anbiederung nichts mehr nützte — schließlich 1935/36<br />
ihre Tätigkeit beenden 33 .<br />
Nachdem man in Freiburg „Nichtarier" zunächst unter Vorbehalt immatrikuliert<br />
und allen Studenten eine ehrenwörtliche Erklärung über ihre Abstammung<br />
abverlangt hatte, stellte sich allerdings heraus, daß hier die als Höchstgrenze vorgeschriebenen<br />
Prozentsätze nicht erreicht wurden 34 . Eine vom Badischen KM veranlaßte<br />
Umfrage bei den Fakultäten und <strong>Institut</strong>en ergab zudem, daß nirgends eine<br />
Gefährdung des Unterrichts wegen Überfüllung, sondern allein durch veraltete<br />
oder fehlende wissenschaftliche Ausrüstung und die starke Drosselung der Geldmittel<br />
zu be<strong>für</strong>chten war. Nahezu alle Fakultäten benutzten die Gelegenheit, um<br />
sich beim Ministerium bitter über die räumlichen, personellen und finanziellen<br />
Beschränkungen zu beklagen. Die zum Teil recht deutlichen Stellungnahmen werfen<br />
ein bezeichnendes Licht auf die Bewertung, welche das „Überfüllungsgesetz" durch<br />
die Universität erfuhr, wenn auch andererseits die Rassenfrage dabei nirgends angeschnitten<br />
wurde 35 .<br />
Für Ausländer „nichtarischer" Abstammung galten die Beschränkungen nicht,<br />
obgleich sonst auf Hitlers Befehl in die antijüdischen Gesetze keine Sonderbestim-<br />
noch nicht erreicht war. Juden durften die Reifeprüfung nicht einmal mehr als Privatschüler<br />
ablegen (RdErl. d. PrMWKV v. 25. 8. 1933 in: Zbl. 1933, S. 232); vgl. R. Eilers, a. a. O.,<br />
S. 99 f.<br />
32<br />
Erl. d. Bad. KM v. 18. 8. 1933 - Nr. A 22236 - in: Die Karlsruher Studentenschaft,<br />
amtl. Mittbl. d. TH Fridericiana 1 (1933), WS 1933/34, S. 5.<br />
33<br />
W. Gross, The Zionist Students' Movement, in: Year Book of the Leo Baeck <strong>Institut</strong>e,<br />
London 1959, vol. IV, pp. 143ff., 162. Für Freiburg vgl. Götz von Olenhusen, Die nationalsozialistische<br />
Rassenpolitik und die jüdischen Studenten an der Universität Freiburg i. Br.<br />
1933-1945, in: Freiburger Universitätsblätter 6 (1964), S. 73.<br />
34<br />
FUA XIV/2, 18, Erl. d. Staatskommissars im Bad. KM v. 5. 5. 1933 - Nr. A 9296 -;<br />
Anordnung des Rektors (Professor M. Heidegger) v. 30. 5. 1933; H. Schlömer, Die Ära der<br />
Gleichschaltung, Das Deutsche Studentenwerk im Dritten Reich, in: Deutsches Studentenwerk<br />
1921-1961, Festschr., hrsg. v. Deutschen Studentenwerk, Bonn 1961, S. 70. - FUA<br />
XIV/2, 18: von den 3298 Freiburger Studenten galten 67 als „Nichtarier" („Volljuden"),<br />
80 „nichtarische" Studenten wurden als Kinder von Weltkriegsteilnehmern oder als „Mischlinge"<br />
<strong>für</strong> die Anteilszahl nicht mitberücksichtigt (Statistische Übersicht <strong>für</strong> das SS 1933; ebd.<br />
Aufstellungen <strong>für</strong> das WS 1933/34, SS 1934, WS 1934/35).<br />
35<br />
FUA XIV/2, 18, Erl. d. Bad. KM v. 24. 5. 1933 - Nr. A 11493 -; Stellungnahmen der<br />
Fakultäten, Juni 1933.