VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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128 Klaus Schwabe<br />
rungen kamen ohne jeden Vorbehalt - Schäfer selbst lieferte ein Beispiel da<strong>für</strong>; aber<br />
auch R. Fester, Historiker an der Universität Halle und später rühriger Vertreter<br />
alldeutscher Ansichten, gab zu bedenken, daß Deutschland entweder erst mit einem<br />
vollen Sieg nach langer Kriegsdauer rechnen dürfte - dann sei die Aktion verfrüht,<br />
oder aber es käme zu einem Erschöpfungsfrieden, und dann erübrigte sich jede<br />
Kriegszieldiskussion 103 .<br />
Alle diese Vorbehalte sollten sehr bald dahinschmelzen, als mit der Einbeziehung<br />
der U-Boot-Frage und innenpolitischer Probleme die Kriegszieldebatte immer mehr<br />
an fundamentale Weltkriegsfragen rührte und gleichzeitig schärfere Formen annahm<br />
104 . Im Sommer 1915 war es jedoch noch nicht so weit, und Anspielungen auf<br />
den innenpolitischen Aspekt der Seebergadresse, ja selbst auf die Stellung des<br />
Kanzlers, finden sich in der Korrespondenz ihrer Unterzeichner außerhalb des inneren<br />
Kreises um Seeberg nur sehr selten 105 . Es fragt sich sogar, wieviele ihrer Be<strong>für</strong>worter<br />
sich überhaupt ihres alldeutsch-industriellen Ursprunges bewußt gewesen<br />
sind.<br />
VI<br />
Das war nun im Kreise der Gegner der Seebergschen Aktion sehr anders. Diesen<br />
blieb sowohl die außen- als auch besonders die innenpolitische Tragweite dieser<br />
Bewegung nicht verborgen. Das zeigt der erste Eindruck, den die Eingabe auf Delbrück<br />
machte, wie ihn dieser selbst in Randbemerkungen zu ihrem Text festgehalten<br />
hat 106 . Sie machen deutlich, daß Delbrück von vornherein keine Illusionen<br />
über den Ursprung der Denkschrift hegte. So bemerkte er zu den westlichen Forderungen<br />
:<br />
„d. h. daß die Herrn Großindustriellen die Fabriken in Belgien billig aufkaufen.<br />
Da<strong>für</strong> sollen unsere Arbeiter kämpfen",<br />
G. Mie an Seeberg, 23. VI. 1915; G. v. Mayr an Seeberg, 22. VI. 1915; O. Procksch an Seeberg,<br />
21. VI. 1915, alle SK.<br />
108 R. Fester an Seeberg, 18. VI. 1915, PK.<br />
104 D. Schäfer, der trotz ursprünglichen Bedenken sich seit August 1915 bedingungslos und<br />
an führender Stelle der Kriegszielbewegung zur Verfügung stellte, ist ein Beispiel (s. u. S. 155),<br />
R. Fester ein anderes.<br />
105 So motivierte Otto Hintze (an Delbrück, 23. VI. 1915, DB) seine Unterschrift damit,<br />
daß er aus dem Gang des Krieges gelernt hätte. Er glaube nicht, daß er über die Kriegsziele zu<br />
einem zu heftigen inneren Kampf kommen würde, wie dies Delbrück voraussagte. E. Meyer<br />
(an Victor Ehrenberg, 10. X. 1915, im Besitze Professor Ehrenbergs, London) betrachtete<br />
expansive Kriegsziele nach Ost und West, die Kolonisation und Enteignung mit einschlössen,<br />
als Folge der neuen Lage Deutschlands im Weltkrieg, die eine endgültige Sicherung Deutschlands<br />
in Europa nötig machte. Deutschland befände sich in der gleichen Situation wie Rom<br />
seit dem hannibalischen Kriege. Kein Wort zur Innenpolitik!<br />
108 Seeberg-Denkschrift mit handschriftlichen Bemerkungen Delbrücks in DK. Etwa<br />
gleichzeitig schrieb Delbrück an Oncken (26. VI. 1915, DB): „. . . Abg. Heine klagt, die<br />
Massen seien nicht mehr länger zu halten ..." Seit der Adresse der wirtschaftlichen Verbände<br />
stünde <strong>für</strong> sie fest, daß der Krieg aus kapitalistischen Gründen fortgesetzt würde. „So wenig<br />
das wahr ist, so ist der böse Schein doch da . . ." Schon am 15. VI. 1915 (an Oncken, DB)<br />
sprach Delbrück von der „Hugenberg-Schäferschen" Denkschrift (d. h. der Seeberg-Eingabe).