22 | <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Schwerpunkt | Sehnsucht | Nachgefragt Foto: Pro Asyl Bernd Mesovic von Pro Asyl, auf einer Kundgebung 2012
Schwerpunkt | Sehnsucht | Nachgefragt <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 23 Viele Flüchtlinge kommen nicht aus politischen Gründen, sondern um bitterer Armut und Hoffnungslosigkeit zu entkommen. Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit ihnen umgehen? Wo wird Armut und Chancenlosigkeit, extreme Ausgrenzung beim Zugang zu wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechten zur Verfolgung? Da, wo der Staat solche Zustände hinnimmt oder sie gar fördert? Zu leicht sollte man es sich bei der Antwort jedenfalls nicht machen. Ein Blick in die deutsche Geschichte von Flucht und Auswanderung zeigt etwa: Die deutschen Flüchtlinge der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts flohen ebenso sehr vor der Verelendung wie vor der Chancenlosigkeit feudaler Enge, vor Knechtschaft und Verfolgung demokratischen Gedankenguts. Die Diskreditierung derer, die vor dem Elend fliehen, als „Wirtschaftsflüchtlinge“ ist infam. Der Wunsch nach einem besseren Leben ist eine der treibenden Kräfte der Menschheit und ihrer Migrationsgeschichte. Und die Amerikaner haben sich sogar die pursuit of happiness – neben dem Menschenrecht auf Leben und Freiheit – in die Unabhängigkeitserklärung geschrieben. Der europäische Kolonialismus hat sich besten Gewissens die Welt unterworfen – mit Folgen bis heute. Und wir sollten uns erlauben, die Habenichtse und die Glückssucher – unsere Ebenbilder – zum Bleiben im Elend zu verurteilen? Bevor wir uns also von der Politik sagen lassen, wir könnten nicht alle Probleme dieser Welt lösen, was richtig ist, fragen wir auch, welche „wir“ verursacht haben. Auch unser Lebensstil ist es, der einige Fluchtursachen schafft. Artsi Ifrach „Yela, yela – lass uns etwas Neues starten!“ Er kam aus Tel Aviv, fand in Paris internationale Anerkennung und in Marrakesch die Quelle der Inspiration. Nun möchte der Designer Artsi Ifrach auch in Deutschland durchstarten ... Sie waren als Designer mit Ihrem Label Art/C in Paris sehr erfolgreich, sind aber letztes Jahr kurzentschlossen von Paris nach Marrakesch gezogen. Wie kam es dazu? Paris ist toll, aber um wirklich kreativ sein zu können, muss ich mich fernhalten von den angesagten Plätzen. Ich präsentiere meine Kollektionen aber immer noch Paris und habe dort auch meine Repräsentantin. Der kulturelle Reichtum und die Spiritualität Marrakeschs faszinieren mich noch immer. Die Stadt hat eine ganz eigene Magie. Selbst die vielen Touristen konnten ihr nichts anhaben. Vom Okzident in den Orient, was können wir im Westen von einer traditionsverbundenen und religiösen Stadt wie Marrakesch lernen? In Europa und vielen anderen Orten auf der Welt suchen wir immer nur den Fortschritt und die neusten Technologien. Dabei vergessen wir, dass es in der Vergangenheit bereits eine fantastische Kultur gab, auch in der Mode gab es großartige Kreationen, die die Persönlichkeit ihrer Träger hervorhoben. Marrakech schließt die Lücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Wir erleben hier viele Dinge, die es bei uns im Westen nicht mehr gibt. Das traditionelle Handwerk als Teil ihrer Kultur und Identität zu würdigen – das können die Europäer von dieser Stadt lernen. Sie kommen ursprünglich aus Israel, sind praktizierender Jude und wohnen in einem Riad in der Medina, der Altstadt Marrakeschs. Ihre Nachbarn sind Moslems. Klappt das gut? Sie lieben mich und ich liebe sie. Ich glaube nicht, dass sich Moslems, Juden und Christen groß unterscheiden. In Marrakesch leben seit Jahrhunderten Anhänger unterschiedlicher Glaubensrichtungen friedlich Tür an Tür. Zu Ihren Kunden gehören Stars wie Beth Dito oder Kelly Rowland. Wie wichtig ist Ihnen der Erfolg im Beruf? Für mich bedeutet Erfolg nicht, dass berühmte Leute meine Sachen tragen, sondern dass es Menschen gibt, die meine Arbeit lieben. Ich möchte das, was ich tue, nicht aus den falschen Gründen tun. Ich mache Mode, nicht um reich zu werden, sondern ich bin reich, weil ich kreativ sein kann. Die kreative Freiheit ist mir wichtiger, als viel Geld zu verdienen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Reichtum und Vermögen. Reichtum kommt von innen, Vermögen durch Geld. Kennst du die Bedeutung der Kippa ? Bis hierher und nicht weiter (fasst sich auf den Kopf ),