BOLD THE MAGAZINE No.06
SEHNSUCHT INNIGES VERLANGEN | HOFFNUNG STIRBT ZULETZT | BELLA ITAL IA | TOCOTRONIC | FASHION SPECIAL | SPANISH AVIDNESS – BARCELONA | INNER DESIRE – PARIS | HUNDERTWASSER
SEHNSUCHT
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Schwerpunkt | Sehnsucht | Nachgefragt<br />
<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> | 23<br />
Viele Flüchtlinge kommen nicht aus<br />
politischen Gründen, sondern um<br />
bitterer Armut und Hoffnungslosigkeit<br />
zu entkommen. Wie sollte man Ihrer<br />
Meinung nach mit ihnen umgehen?<br />
Wo wird Armut und Chancenlosigkeit,<br />
extreme Ausgrenzung beim Zugang zu<br />
wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechten<br />
zur Verfolgung? Da, wo der Staat<br />
solche Zustände hinnimmt oder sie gar<br />
fördert? Zu leicht sollte man es sich bei<br />
der Antwort jedenfalls nicht machen. Ein<br />
Blick in die deutsche Geschichte von Flucht<br />
und Auswanderung zeigt etwa: Die deutschen<br />
Flüchtlinge der ersten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts flohen ebenso sehr vor<br />
der Verelendung wie vor der Chancenlosigkeit<br />
feudaler Enge, vor Knechtschaft<br />
und Verfolgung demokratischen Gedankenguts.<br />
Die Diskreditierung derer, die vor<br />
dem Elend fliehen, als „Wirtschaftsflüchtlinge“<br />
ist infam. Der Wunsch nach einem<br />
besseren Leben ist eine der treibenden<br />
Kräfte der Menschheit und ihrer Migrationsgeschichte.<br />
Und die Amerikaner haben sich<br />
sogar die pursuit of happiness – neben dem<br />
Menschenrecht auf Leben und Freiheit – in<br />
die Unabhängigkeitserklärung geschrieben.<br />
Der europäische Kolonialismus hat sich<br />
besten Gewissens die Welt unterworfen –<br />
mit Folgen bis heute. Und wir sollten uns<br />
erlauben, die Habenichtse und die Glückssucher<br />
– unsere Ebenbilder – zum Bleiben<br />
im Elend zu verurteilen? Bevor wir uns also<br />
von der Politik sagen lassen, wir könnten<br />
nicht alle Probleme dieser Welt lösen, was<br />
richtig ist, fragen wir auch, welche „wir“<br />
verursacht haben. Auch unser Lebensstil ist<br />
es, der einige Fluchtursachen schafft.<br />
Artsi Ifrach<br />
„Yela, yela – lass uns etwas<br />
Neues starten!“<br />
Er kam aus Tel Aviv, fand in Paris internationale<br />
Anerkennung und in Marrakesch<br />
die Quelle der Inspiration. Nun<br />
möchte der Designer Artsi Ifrach auch in<br />
Deutschland durchstarten ...<br />
Sie waren als Designer mit Ihrem Label<br />
Art/C in Paris sehr erfolgreich, sind aber<br />
letztes Jahr kurzentschlossen von Paris<br />
nach Marrakesch gezogen. Wie kam es<br />
dazu?<br />
Paris ist toll, aber um wirklich kreativ sein zu<br />
können, muss ich mich fernhalten von den<br />
angesagten Plätzen. Ich präsentiere meine<br />
Kollektionen aber immer noch Paris und<br />
habe dort auch meine Repräsentantin.<br />
Der kulturelle Reichtum und die Spiritualität<br />
Marrakeschs faszinieren mich noch<br />
immer. Die Stadt hat eine ganz eigene<br />
Magie. Selbst die vielen Touristen konnten<br />
ihr nichts anhaben.<br />
Vom Okzident in den Orient, was können<br />
wir im Westen von einer traditionsverbundenen<br />
und religiösen Stadt wie<br />
Marrakesch lernen?<br />
In Europa und vielen anderen Orten auf<br />
der Welt suchen wir immer nur den Fortschritt<br />
und die neusten Technologien. Dabei<br />
vergessen wir, dass es in der Vergangenheit<br />
bereits eine fantastische Kultur gab, auch<br />
in der Mode gab es großartige Kreationen,<br />
die die Persönlichkeit ihrer Träger hervorhoben.<br />
Marrakech schließt die Lücke<br />
zwischen der Vergangenheit und der<br />
Zukunft. Wir erleben hier viele Dinge, die<br />
es bei uns im Westen nicht mehr gibt. Das<br />
traditionelle Handwerk als Teil ihrer Kultur<br />
und Identität zu würdigen – das können die<br />
Europäer von dieser Stadt lernen.<br />
Sie kommen ursprünglich aus Israel,<br />
sind praktizierender Jude und wohnen<br />
in einem Riad in der Medina, der Altstadt<br />
Marrakeschs. Ihre Nachbarn sind<br />
Moslems. Klappt das gut?<br />
Sie lieben mich und ich liebe sie. Ich glaube<br />
nicht, dass sich Moslems, Juden und<br />
Christen groß unterscheiden. In Marrakesch<br />
leben seit Jahrhunderten Anhänger unterschiedlicher<br />
Glaubensrichtungen friedlich<br />
Tür an Tür.<br />
Zu Ihren Kunden gehören Stars wie Beth<br />
Dito oder Kelly Rowland. Wie wichtig ist<br />
Ihnen der Erfolg im Beruf?<br />
Für mich bedeutet Erfolg nicht, dass<br />
berühmte Leute meine Sachen tragen,<br />
sondern dass es Menschen gibt, die meine<br />
Arbeit lieben. Ich möchte das, was ich tue,<br />
nicht aus den falschen Gründen tun. Ich<br />
mache Mode, nicht um reich zu werden,<br />
sondern ich bin reich, weil ich kreativ sein<br />
kann. Die kreative Freiheit ist mir wichtiger,<br />
als viel Geld zu verdienen.<br />
Es gibt einen großen Unterschied zwischen<br />
Reichtum und Vermögen. Reichtum kommt<br />
von innen, Vermögen durch Geld. Kennst du<br />
die Bedeutung der Kippa ? Bis hierher und<br />
nicht weiter (fasst sich auf den Kopf ),