Mitteilungen Johanni 2006 - Rudolf Steiner Schule Aargau
Mitteilungen Johanni 2006 - Rudolf Steiner Schule Aargau
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14 Ehemalige<br />
Ehemaligen-Bericht<br />
Meine Schulzeit sehe ich rückblickend<br />
als bunten Blumenstrauss mit<br />
vielen verschiedenen Blumen. Es gibt<br />
da gepflegte, wilde und ganz seltene<br />
Blumen, auch einzelne Dornen sind<br />
drin. Zu diesen Blumen der Schulzeit<br />
sind noch andere dazugekommen und<br />
haben ihn bereichert. Ich hoffe, dass<br />
ich noch viele gepflegte, wilde und<br />
ganz seltene Blumen für meinen<br />
Strauss gewinnen kann.<br />
Schau in eine kleine Blume<br />
und öffne dich der Welt<br />
wie dieses kleine Wesen<br />
bedingungslos es tut<br />
In Dankbarkeit und Liebe<br />
empfängst du Licht und<br />
Sonnenkraft<br />
(1997)<br />
Ich kam als Quereinsteigerin nach<br />
dem St. Nikolaus-Besuch der ersten<br />
Klasse in die Schafisheimer <strong>Schule</strong>.<br />
Der Wechsel von der Regel- zur <strong>Rudolf</strong><br />
<strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> war für mich Erholung.<br />
Ich erinnere mich, wie ich an einem<br />
der ersten Tage nach Hause kam und<br />
meiner Mutter erzählte: «Weisst du, alles<br />
ist sooo schön, Herr Keller erzählt<br />
sooo schöne Geschichten und wir malen<br />
sooo schöne Bilder... aber sie (die<br />
Mitschüler) sind sooo wild!»<br />
Das «negativste Erlebnis»,das ich in<br />
Bezug auf die <strong>Schule</strong> hatte, war, als<br />
mich einmal jemand fragte, wo ich<br />
denn zur <strong>Schule</strong> ginge. Ich sagte: «In<br />
die <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong>.» Mein<br />
Gegenüber musterte mich und meinte<br />
dann: «Ach ja, das kann ich gut verstehen,<br />
aber deine beiden Geschwister<br />
gehen wohl nicht dahin, die sind doch<br />
normal!» Ich weiss nicht mehr,was ich<br />
darauf antwortete, es bleibt einem<br />
auch nicht viel zu antworten. (Mit<br />
knapp zwei Jahren fiel ich aus dem<br />
Fenster und bin seither halbseitig gelähmt,deswegen<br />
vielleicht auch die erwähnte<br />
Bemerkung.) Das war nur ein<br />
einziges Mal der Fall, dass ich eine sol-<br />
che Begegnung hatte! Als Kind merkte<br />
ich mein Anderssein nur wenig. Meine<br />
Behinderung gehört zu mir. Als ich<br />
dann grösser wurde, nahm ich sie zunehmend<br />
bewusster wahr. Selten geschah<br />
es, dass ich sie «schmerzhaft»<br />
empfand.<br />
Ich ging zehn Jahre in Schafisheim<br />
und zwei Jahre in Aesch/Birseckschule<br />
(BL) zur <strong>Schule</strong>.<br />
Mein Berufswunsch war Kindergärtnerin.<br />
Da waren mir jedoch durch<br />
meine Behinderung Steine in den Weg<br />
gelegt, so dass mir der «Traumberuf»<br />
vorenthalten blieb. Ich wollte aber unbedingt<br />
im sozialen Bereich arbeiten.<br />
Behindertenarbeit war eine weitere<br />
«Idee». Beim Schnuppern merkte ich,<br />
dass ich über eine Handwerkerlehre<br />
besser zur Behindertenarbeit finden<br />
könnte. Ich lernte das Handweben.<br />
Dann wollte ich meinen Beruf mit der<br />
Behindertenarbeit verbinden. Ich<br />
machte verschiedene Praktika in Behindertenheimen,<br />
auch ein halbjähriges<br />
in einem Camphill* in Nordirland.<br />
Durch diese Erfahrungen wurde mir<br />
bewusst, dass «Behindertenarbeit» als<br />
solches nicht möglich war,meine eigene<br />
Behinderung setzte mir zu enge<br />
Grenzen.Aber meinen Wunsch, im sozialen<br />
Bereich tätig zu sein, liess ich<br />
deshalb nicht los und suchte weiter.<br />
Vor eineinhalb Jahren schloss ich das<br />
Seminar für Förderpädagogik ab. Meinem<br />
Ziel bin ich auf diese Weise etwas<br />
näher gerückt.Und ich suche weiter...<br />
Seit bald fünf Jahren arbeite ich in<br />
Lenzburg an der <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong><br />
Sonderschule als Kollegiumsmithilfe.<br />
Zwar kann ich hier meinen «Zweitberuf»<br />
nur beschränkt ausüben, aber<br />
«Fortschritte» sind immer möglich.<br />
* Ein Camphill ist ein Lebens- und Arbeitsraum, wo<br />
Behinder te und «Nichtbehinder te» in einer Gemeinschaft<br />
zusammenleben. Das erste Camphill wurde von Karl König<br />
um 1945 in Aberdeen (Schottland) gegründet. Daraus ent-<br />
stand eine Bewegung. Heute gibt es rund um den Erdball<br />
Camphills.<br />
<strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>Johanni</strong> <strong>2006</strong><br />
Was mir schon seit klein auf besondere<br />
Freude machte, war das Lesen<br />
und später auch das Vertiefen in die<br />
Sprache. Als ich dann ab der vierten<br />
Klasse in die Sprachgestaltung gehen<br />
konnte um meine Sprache und meinen<br />
Atem zu stärken, die durch den<br />
Unfall beeinträchtigt waren,entdeckte<br />
ich die Schönheit und die Kraft der<br />
Sprache. Ich konnte erfahren, wie<br />
mein Atem kräftiger und meine Sprache<br />
deutlicher wurden. Dieser Erfolg<br />
war für mich massgebend. Ich ging<br />
gerne in die Sprachgestaltung. Eva<br />
Sonnleitner (ehemals Weber-Schaub)<br />
erkannte meinen Eifer und förderte<br />
mich. Das bewog mich wiederum<br />
selbst poetisch tätig zu werden.Mit 16<br />
Jahren schrieb ich mein erstes Gedicht.<br />
Nach jahrelangem Üben und Suchen<br />
nach dem Eigenen liegt heute<br />
der erste Gedichtband vor.<br />
Monica Jordi<br />
Hell und ungetrübt<br />
Monica Jordis Gedichtband «Wie<br />
ein zur Erde gefallener Stern»<br />
(Deutscher Lyrik Verlag, <strong>2006</strong>)<br />
Was vorliegt, ist ein schmaler, 40<br />
Gedichte aus den Jahren 1995 bis<br />
2005 umfassender Gedichtband. Die<br />
ganz eigene Stimme dieser Dichterin<br />
erklingt daraus «hell und ungetrübt».<br />
Was macht diese Stimme aus?<br />
Inhaltlich gesehen kennt die Lyrik<br />
von Monica Jordi zwei «Blickrichtungen».<br />
«Ich schaue in die Welt» ist die<br />
eine, «Ich schaue in die Seele» die andere.Als<br />
Mensch, der eine <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong><br />
<strong>Schule</strong> durchlaufen hat, sind ihr<br />
diese beiden Blickrichtungen sowie<br />
deren gegenseitiges Verwobensein bewusst,<br />
was auch die klare Strukturierung<br />
des Gedichtbandes deutlich<br />
zeigt.Einem 22 Gedichte umfassenden<br />
Kapitel Naturgedichte folgen drei klei-