Mitteilungen Johanni 2006 - Rudolf Steiner Schule Aargau
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nere Kapitel mit insgesamt 18 Gedichten<br />
«Innengesichte» (Paul Bommersheim).<br />
Am deutlichsten entwickelt ist Monica<br />
Jordis Blick in die Welt. Naturgedichte<br />
stehen im Vordergrund (erstes<br />
Kapitel des Bandes). «Schau in eine<br />
kleine Blume / und öffne dich der Welt<br />
/ wie dieses kleine Wesen bedingungslos<br />
es tut». Ein so gearteter Blick in die<br />
Welt bleibt nicht ohne Folgen: «In<br />
Dankbarkeit und Liebe /empfängst du<br />
Licht und Sonnenkraft». Dass die Dichterin<br />
gerade diese Verse als ihr «Lieblingsgedicht»<br />
aus eigener Feder ansieht,<br />
ist charakteristisch für sie. Die<br />
ihr eigene poetische Methode zeigt<br />
sich darin in aller Deutlichkeit. Konsequenterweise<br />
eröffnet das Gedicht<br />
den ganzen Gedichtband. «Licht und<br />
Sonnenkraft» entdeckt Monica Jordis<br />
Blick aber nicht nur in der sonnendurchfluteten<br />
Frühlings-, Sommerund<br />
Herbstnatur.Auch der Blick in die<br />
winterlichen Weiten ihrer Schweizer<br />
Heimat legt die «Seite ihres Wunders»<br />
frei, als was der Dichter Peter Hille die<br />
Aufgabe der Poesie bestimmt hat: «Flocken<br />
aus der Ewigkeit / decken alles<br />
zu / lassen Neues im Verborgenen /<br />
entstehen».<br />
Der Blick in die Seele (zweites und<br />
drittes Kapitel des Bandes mit 13 Gedichten)<br />
umfasst Schmerz- und Freud-<br />
volles. Beides versteht die Dichterin<br />
als aufeinander bezogene Pole des<br />
menschlichen Innenlebens. Insofern<br />
erstaunt es nicht, wenn in ihren Gedichten<br />
der auflichtende Hoffnungsstrahl<br />
in den tiefsten Schmerz fällt,<br />
wenn in der von «Grauheit - Kühlheit<br />
und Feuchtigkeit» nahezu gelähmten<br />
Gegenwart eine zukünftige Aufhellung<br />
und Aufwärmung spürbar wird. So ist<br />
es auch glaubwürdig, wenn die Dichterin<br />
den Rat gibt: «Versenk dich /<br />
nicht in Kummer». Über Freude und<br />
Traurigkeit, Sehnsucht und Enttäuschung<br />
hinaus findet ihr nach innen<br />
gerichteter Blick die spirituelle Dimension<br />
des menschlichen Lebens.<br />
Dieses verdichtet sich im Bild des Engels,<br />
dem das letzte, fünf Gedichte umfassende<br />
Kapitel des Bandes gilt. In<br />
der Gegenwart des Engels konkretisiert<br />
sich der eben angeführte Ratschlag<br />
zu: «Vertraue deinem Engel / Er<br />
wird dir’s danken / durch Zuversicht».<br />
Das alles vollzieht sich in einer<br />
ebenso klaren wie schlichten Sprache<br />
von starker poetischer Eindringlichkeit.<br />
Klang-, Bild- und Sinngestalt haben<br />
ihre eigene,bereits unverwechselbare<br />
Verbindung gefunden.Keines dieser<br />
drei Elemente drängt sich auf Kosten<br />
des anderen in den Vordergrund.<br />
Vielmehr halten sie sich geschwisterlich<br />
bei der Hand. So wie das lyrische<br />
Ich der Monica Jordi in seinem imaginativen<br />
«Schutz-Raum» diesen behutsam<br />
abtastet und dabei innere Erfüllung<br />
findet, so tastet auch der Sprachsinn<br />
dieser Dichterin den Raum der<br />
Sprache ab, ohne dass ihr jedoch bei<br />
dieser Tastbewegung die innere Kraft<br />
ermangelte.Und gerade diese behutsame<br />
Kraft bzw. diese von Kraft erfüllte<br />
Behutsamkeit ist m. E. das Besondere<br />
und Eigene ihrer poetischen Stimme.<br />
Am schönsten spricht sich dies im<br />
letzten Gedicht über den «Engel der<br />
Behutsamkeit» aus:<br />
<strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>Johanni</strong> <strong>2006</strong><br />
Tastend kommt er näher<br />
berührt mich sanft<br />
Seine Flügel<br />
führen meine Hände<br />
Seine Hände<br />
fühlen meinen Mund<br />
Sein Mund<br />
küsst mir leis die Stirn<br />
Wie gesagt, was bisher vorliegt ist<br />
nur ein schmaler Band. Aber es ist<br />
deutlich mehr als eine bloße Sammlung<br />
erster Gedichte. Es ist vielmehr<br />
die Ankündigung eines besonderen<br />
dichterischen Werkes - und ich bin zuversichtlich,<br />
dass es Monica Jordi gelingen<br />
wird, diese Ankündigung in der<br />
ihr eigenen Art, behutsam und kraftvoll<br />
zugleich,auszugestalten.<br />
Dr.Pierre Georges Pouthier