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Die Beneš-Dekrete und die Vertreibung der Deutschen im ...

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572 Aufsätze<br />

angehörigkeit erworben haben“ – <strong>und</strong> das waren infolge <strong>der</strong> politischen Ereignisse<br />

ab 1938 so gut wie alle – ihrer tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft für<br />

verlustig. Nur wer „unter nazistischem o<strong>der</strong> faschistischem Terror gelitten“ o<strong>der</strong><br />

zumindest „aktiv am Kampf“ um <strong>die</strong> Befreiung <strong>der</strong> Tschechoslowakischen Republik<br />

beteiligt war, wurde von <strong>der</strong> Ausbürgerung verschont 148 . <strong>Die</strong> Beweislast lag<br />

allerdings bei den Betroffenen; <strong>und</strong> zudem bekamen nur <strong>die</strong> wenigsten <strong>der</strong>jenigen,<br />

<strong>die</strong> ihre Unschuld hätten beweisen können, auch <strong>die</strong> Möglichkeit dazu. Vor<br />

allem wegen seines durchaus „völkischen“ Kerns wi<strong>der</strong>sprach das Benesˇ-Dekret<br />

Nr. 33 eindeutig rechtsstaatlichen Prinzipien 149 .<br />

Der generelle Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> <strong>Vertreibung</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Bodenreform, <strong>die</strong> <strong>im</strong> östlichen Teil Europas nach 1945 forciert wurde, trat <strong>im</strong> ungarischen<br />

Fall auf beson<strong>der</strong>s bemerkenswerte Weise zutage. Da <strong>der</strong> <strong>im</strong> ungarischen<br />

Tiefland von Kommunisten <strong>und</strong> Nationalisten geweckte Landhunger nur mit dem<br />

Boden <strong>der</strong> „Schwaben“ gestillt werden konnte, wurden gerade nicht <strong>die</strong> „Naziaktivisten“,<br />

<strong>die</strong> meist nur wenig o<strong>der</strong> kein Land besaßen, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Eigentümer <strong>der</strong><br />

mittelgroßen <strong>und</strong> noch größeren Hofstellen vertrieben, <strong>die</strong> den „Naziaktivitäten“<br />

überwiegend ablehnend gegenübergestanden hatten 150 . Vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong><br />

wird <strong>der</strong> Redebeitrag József Antalls auf einer Kabinettssitzung vom 22. Dezember<br />

1945 verständlich, wo <strong>der</strong> ungarische Minister für Wie<strong>der</strong>aufbau betonte, es sei<br />

„aus nationalpolitischer Sicht nicht zu bezweifeln, daß es <strong>im</strong> Interesse Ungarns<br />

liegt, wenn möglichst viele Deutsche das Land verlassen. Es wird nie wie<strong>der</strong> eine<br />

solche Gelegenheit geben, <strong>die</strong> <strong>Deutschen</strong> loszuwerden.“ 151 Aber auch in Polen,<br />

Jugoslawien <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tschechoslowakei sprachen <strong>die</strong> radikalen Enteignungsgesetze<br />

<strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>e „bereits <strong>die</strong> Sprache <strong>der</strong> kommunistischen Revolution, nur daß sie sich<br />

nicht <strong>im</strong> kommunistischen Sinne gegen den Klassenfeind, son<strong>der</strong>n <strong>im</strong> Sinne eines<br />

an seine äußersten Grenzen vorgetriebenen Nationalismus gegen den Nationalfeind“<br />

richteten 152 . Benesˇ hatte schon Ende 1943 in Moskau bei seinem Werben<br />

um <strong>die</strong> sowjetische Zust<strong>im</strong>mung zum „Abschub“ <strong>der</strong> Sudetendeutschen <strong>die</strong> <strong>Vertreibung</strong><br />

als Teil einer weiter reichenden „sozialen Revolution“ verkauft 153 .<br />

In bezug auf das landwirtschaftliche Vermögen regelte vor allem das Benesˇ-<br />

Dekret Nr. 12 vom 21. Juni 1945 154 <strong>die</strong> ökonomische Vernichtung des Deutsch-<br />

148 Jan Kuklik, Deutschland <strong>und</strong> <strong>die</strong> Personen deutscher Nationalität in <strong>der</strong> tschechoslowakischen<br />

Gesetzgebung (1940–1948), in: Kittel/Möller/Pesˇek/Tu˚ ma (Hrsg.), Deutschsprachige<br />

Min<strong>der</strong>heiten 1945, S. 1–130, hier S. 41.<br />

149 Bereits Zeitgenossen in den Vertreiberstaaten selbst haben <strong>die</strong> Gesetzgebung gegen <strong>die</strong> deutschen<br />

Min<strong>der</strong>heiten in <strong>die</strong> Nähe des Rassismus gerückt, so etwa <strong>der</strong> Abteilungsleiter <strong>im</strong> ungarischen<br />

Innenministerium István Bibó, als er darauf hinwies, daß alle Pläne, „<strong>die</strong> sich nur auf <strong>die</strong><br />

Schwaben beziehen, <strong>die</strong>se zu definieren <strong>und</strong> einzugrenzen versuchen, unumgänglich in irgendeine<br />

Rassentheorie münden werden, was zu vermeiden ist“. Zit. nach Tóth, Migrationen, S. 48.<br />

150 Ebenda, S. 43, sowie S. 12 <strong>im</strong> Vorwort.<br />

151 Ebenda, S. 62.<br />

152 Dokumentation <strong>der</strong> <strong>Vertreibung</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> aus Ostmitteleuropa, Bd. IV: <strong>Die</strong> <strong>Vertreibung</strong><br />

<strong>der</strong> deutschen Bevölkerung aus <strong>der</strong> Tschechoslowakei, Teil 1, München 1984 (unv. Nachdruck<br />

<strong>der</strong> Ausgabe von 1957), S. 86.<br />

153 Brandes, Der Weg zur <strong>Vertreibung</strong>, S. 205 (Zitat) u. S. 203 f.<br />

154 Vgl. Jech (Hrsg.), <strong>Die</strong> <strong>Deutschen</strong>, S. 471–476.<br />

VfZ 4/2006

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