07.10.2013 Aufrufe

"Krebsstation" aus psychologischer Sicht

"Krebsstation" aus psychologischer Sicht

"Krebsstation" aus psychologischer Sicht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ES GILT DAS GESPROCHENE WORT<br />

unserer Macht, und das bedeutet: dass der Mensch immer glücklich sein kann, wenn<br />

er nur will, und dass niemand ihn daran hindern kann.“ (236)<br />

Es ist eben vieles, sicher nicht alles, aber vieles eine Frage der Perspektive.<br />

Oleg Kostoglotow und Pawel Rusanow geraten aneinander, da R. viel Angst hat und<br />

der forsche K. mit seinen kühnen Gedanken und Überlegungen über das Dasein eine<br />

Bedrohung für ihn darstellt. Die Krebsstation Nr. 13 ist eine besondere<br />

Gemeinschaft. Wenn am Samstag- und Sonntagabend Ruhe einkehrt, die Besuche<br />

fort sind, keine Behandlung an diesen Tagen erfolgt, dann können die Patienten<br />

einander etwas erzählen, Reden halten, zeigen, wer sie sind.<br />

K. führt oft das Wort: „Wenn wir hier nicht über den Tod sprechen, wo sollen wir es<br />

denn sonst tun?“ (127) R. will nichts vom Tod hören. Da konfrontiert ihn K. mit seinen<br />

eigenen Waffen: „Was hämmern wir den Menschen denn ihr Leben lang ein? – Du<br />

bist ein Teil des Kollektivs, du bist ein Teil des Kollektivs! Das ist richtig, solange sie<br />

leben. Aber wenn es ans Sterben geht, werden sie <strong>aus</strong> dem Kollektiv entlassen. Mag<br />

jeder Mensch zum Kollektiv gehören, sterben muß er allein. Und die Geschwulst<br />

befällt ihn allein, nicht das ganze Kollektiv.“ (127)<br />

Das sind schlichte Wahrheiten, die das Zurückgeworfensein des Menschen auf seine<br />

individuelle Existenz zeigen.<br />

Seine Wünsche sind auf Grund der Lagererfahrung, der Verbannung, dem Verlust<br />

seiner Verlobten andere: „Stark empfand er das plötzlich zurückgekehrte Leben, mit<br />

dem er noch vor zwei Wochen für immer abgeschlossen zu haben glaubte. Zwar<br />

versprach dieses Leben ihm nichts von dem, was die Menschen dieser Stadt für gut<br />

hielten und worum sie kämpften: weder eine Wohnung noch ein Vermögen, noch<br />

gesellschaftliches Ansehen oder Geld – dafür aber andere, eigene Freuden, die zu<br />

schätzen er nicht verlernt hatte: das Recht umherzugehen, ohne auf einen Befehl zu<br />

warten; das Recht auf Einsamkeit; das Recht, Sterne zu betrachten, die nicht von<br />

den Lampen der Lagerzone verdeckt wurden; das Recht, nachts das Licht<br />

<strong>aus</strong>zulöschen und im Dunkeln zu schlafen, Briefe in einen Postkasten zu werfen,<br />

sonntags <strong>aus</strong>zuruhen, im Fluß zu baden und vieles mehr.<br />

Und auch das Recht – sich mit Frauen zu unterhalten.<br />

All diese zahllosen, wunderbaren Rechte gab ihm die Genesung zurück.<br />

Und er stand da, rauchte und freute sich.“ (138)<br />

Als ich das las, kreisten meine Gedanken um eigene Unzufriedenheiten, die zwar mit<br />

dem Älterwerden weniger werden, es aber doch immer wieder gibt und um unsere<br />

Wohlstandsgesellschaft. Ich will mich hier nicht auf einen mahnenden Ton verlegen,<br />

sondern überlasse es Ihren eigenen Gedanken.<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!