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Auseinandersetzungen mit der Liebe - TOBIAS-lib - Universität ...

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wechselhaften Machtkonstellationen, denen es unterworfen ist. „[Die Macht] produziert<br />

Gegenstandsbereiche und Wahrheitsrituale: das Individuum und seine Erkenntnis sind<br />

Ergebnisse dieser Produktion.“ 15 Das postmo<strong>der</strong>ne Subjekt muß daher als zerrissen bzw.<br />

fragmentiert verstanden werden. Bei seiner Unterwerfung und Fremdbestimmung kommt<br />

auch <strong>der</strong> Sprache eine beson<strong>der</strong>e Rolle zu. So geht Jacques Lacan davon aus, daß das Subjekt<br />

durch sein Eingehen in die Sprache – bei Lacan als die symbolische Ordnung bezeichnet –<br />

überhaupt erst als solches konstituiert wird. Die soziale Übermacht <strong>der</strong> Sprache ist je<strong>der</strong><br />

Individualität vorgeordnet, „weil die Sprache samt ihrer Struktur existiert, bevor ein<br />

beliebiges Subjekt [...] in sie eintritt.“ 16 Das Subjekt erscheint als Effekt <strong>der</strong> Sprachstruktur<br />

und so<strong>mit</strong> in gewisser Weise fremdbestimmt; ein Subjekt(selbst)verständnis ist nur innerhalb<br />

<strong>der</strong> von außen quasi aufgezwungenen Sprache möglich. 17 Mit Aufgabe des einheitlichen<br />

Selbstkonzepts des Imaginären (das Freuds narzißtischem Urzustand entspricht) entsteht eine<br />

„Kluft, die sich zwischen dem Bewußten und dem Unbewußten nach dem Eintritt des<br />

Individuums in die symbolische Ordnung <strong>der</strong> Sprache auftut.“ 18 Das daraus hervorgehende<br />

Subjekt, entfremdet von einer unwie<strong>der</strong>bringlich verlorenen Ganzheit, muß notwendigerweise<br />

dezentiert bzw. gespalten sein.<br />

Die Unterordnung des Subjekts unter das Primat <strong>der</strong> Sprache hängt auch un<strong>mit</strong>telbar <strong>mit</strong> dem<br />

postmo<strong>der</strong>nen Sprachverständnis zusammen. Eine Auffassung von Sprache als Zeichensystem<br />

<strong>mit</strong> festem Bedeutungsbezug, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kontrolle eines selbstbestimmten Subjekts unterliegt, ist<br />

in <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne nicht mehr gegeben. Einflußreich sind hier vor allem die Theorien von<br />

Jacques Derrida, <strong>der</strong> jedes „transzendentale[...] o<strong>der</strong> privilegierte[...] Signifikat“ 19 als fixen<br />

Bezugspunkt von Sprache zurückweist. Derrida postuliert, „daß es kein Zentrum gibt, daß das<br />

Zentrum nicht in <strong>der</strong> Gestalt eines Anwesenden gedacht werden kann, daß es keinen<br />

natürlichen Ort besitzt, daß es kein fester Ort ist, son<strong>der</strong>n eine Funktion, eine Art von Nicht-<br />

15<br />

Foucault, Überwachen und Strafen 250. Vgl auch „Dispositive <strong>der</strong> Macht“ 82: „[Die Macht] wird ausgeübt<br />

über eine netzförmige Organisation. Und die Individuen zirkulieren nicht nur in ihren Maschen, son<strong>der</strong>n sind<br />

auch stets in einer Position, in <strong>der</strong> sie diese Macht zugleich erfahren und ausüben; sie sind niemals die<br />

unbewegliche und bewußte Zielscheibe dieser Macht, sie sind stets ihre Verbindungselemente.“<br />

16<br />

Jacques Lacan, „Das Drängen des Buchstabens im Unbewußten o<strong>der</strong> die Vernunft seit Freud,“ 1966, Schriften<br />

II, hg. Norbert Haas (Olten: Walter, 1975) 19. Lacan spricht hier auch von dem „Subjekt, das als ein Sklave <strong>der</strong><br />

Sprache erscheinen kann.“<br />

17<br />

Vgl. Lacan zur Unmöglichkeit, dem Einfluß <strong>der</strong> Sprache zu entkommen: „Wenn <strong>der</strong> Mensch deshalb die<br />

symbolische Ordnung zu denken sucht, so ist er in ihr zunächst in seinem Wesen einbegriffen.“ Jacques Lacan,<br />

„Das Seminar über E. A. Poes ‚Der entwendete Brief‘,“ 1966, Schriften I, hg. Norbert Haas (Olten: Walter,<br />

1973) 52. Die Annahme des Menschen, selbst bewußter Urheber <strong>der</strong> symbolischen Ordnung zu sein, bezeichnet<br />

Lacan im folgenden als „Illusion“.<br />

18<br />

Peter V. Zima, Theorie des Subjekts: Subjektivität und Identität zwischen Mo<strong>der</strong>ne und Postmo<strong>der</strong>ne<br />

(Tübingen: Francke, 2000) 261.<br />

19<br />

Jacques Derrida, „Die Struktur, das Zeichen und das Spiel im Diskurs <strong>der</strong> Wissenschaften vom Menschen,“<br />

Die Schrift und die Differenz (1967; Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1972) 425.<br />

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