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Auseinandersetzungen mit der Liebe - TOBIAS-lib - Universität ...

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<strong>der</strong> vernunftgeleitete Umgang <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong> zu einem Teil des Spiels wird, und machen da<strong>mit</strong><br />

klar, daß es keine Reinform <strong>der</strong> jeweiligen Strömung gibt.<br />

Im Mittelalter, das stark durch das Christentum geprägt ist, dominieren entsprechend <strong>der</strong> dort<br />

vertretenen Auffassungen von <strong>Liebe</strong> an<strong>der</strong>e Modelle. „What distinguishes Christianity [from<br />

other, non-western religions] is the fact that it alone has made love the dominant principle in<br />

all areas of dogma.“ 69 Die Gottesliebe erhält höchste Priorität und bestimmt auch das Denken<br />

über die säkulare <strong>Liebe</strong>. Eine Unterscheidung zwischen Gott und <strong>Liebe</strong> ist nicht möglich:<br />

„Gott ist die <strong>Liebe</strong>.“ 70 Mit <strong>der</strong> griechischen Bibel wird im Neuen Testament für die <strong>Liebe</strong><br />

anstelle des ‘Eros’ <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> ‘Agape’ eingeführt, <strong>der</strong> Gottes <strong>Liebe</strong> zu seiner Schöpfung,<br />

die <strong>Liebe</strong> des Menschen zu Gott und die <strong>Liebe</strong> des Menschen zum Mitmenschen bezeichnet. 71<br />

Dem abstrakten göttlichen Prinzip des Guten in <strong>der</strong> Antike setzt das Christentum den<br />

persönlichen Gottvater entgegen, <strong>der</strong> sich dadurch auszeichnet, daß er die menschliche <strong>Liebe</strong>,<br />

die ihm entgegengebracht wird, auch erwi<strong>der</strong>t. Im Unterschied zum Denken von Platon wird<br />

<strong>der</strong> Mensch nicht mehr als wesenhaft gut angesehen, son<strong>der</strong>n ist durch die Erbsünde belastet,<br />

die er nicht abstreifen kann.<br />

Unter diesen Voraussetzungen sind zwei <strong>Liebe</strong>sentwürfe zu sehen, die für das christliche<br />

Mittelalter von Bedeutung sind. Auf <strong>der</strong> einen Seite steht dabei die Mystik als eine praktische<br />

Ausprägung <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>sreligion, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite findet sich im Konzept <strong>der</strong> höfischen<br />

<strong>Liebe</strong> die weltlich orientierte Auffassung <strong>der</strong> Troubadoure und Minnesänger, die aber stark<br />

durch die Religion geprägt ist. Exemplarischer Vertreter <strong>der</strong> <strong>mit</strong>telalterlichen Mystik ist<br />

Bernhard von Clairvaux (1090-1153), „since his mystical theology was paradigmatic for most<br />

nuptial mystics in the Christian tradition.“ 72 Ziel des Mystikers ist grundsätzlich eine unio<br />

mystica, also eine Vereinigung des Menschen <strong>mit</strong> Gott. In einer Religion, in <strong>der</strong> Gott <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Liebe</strong> gleichgesetzt wird, ist es nicht weiter verwun<strong>der</strong>lich, daß „Bernhards Mystik [...] vor<br />

allem eine Mystik <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>“ 73 ist. Da es im christlichen Mittelalter ab dem späten 12.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t auch zu einer Erstarkung <strong>der</strong> Frauen im religiösen Leben kommt, 74 wird in die<br />

69<br />

Singer, The Nature of Love 1 163. Trotzdem gibt es kein klar umrissenes <strong>Liebe</strong>skonzept des Christentums:<br />

Einerseits bietet die Bibel selbst keinen einheitlichen <strong>Liebe</strong>sentwurf, an<strong>der</strong>erseits haben verschiedene christliche<br />

Denker in ihrer Bibelexegese unterschiedliche Aspekte hervorgehoben und sind so zu divergierenden<br />

Auffassungen gelangt. Vgl. hierzu Vincent Brümmer, The Model of Love (Cambridge: Cambridge University<br />

Press, 1993) 31.<br />

70<br />

1 Joh 4,16. Bibelzitate hier und im folgenden nach Die Bibel, Einheitsübersetzung (Freiburg: Her<strong>der</strong>, 1980).<br />

71<br />

Vgl. Kuhn 73.<br />

72<br />

Brümmer 59.<br />

73<br />

Peter Dinzelbacher, Christliche Mystik im Abendland: Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ende des<br />

Mittelalters (Pa<strong>der</strong>born: Schöningh, 1994) 110.<br />

74<br />

Vgl. Caroline Walker Bynum, „Religious Women in the Later Middle Ages,“ Christian Spirituality II: High<br />

Middle Ages and Reformation, ed. Jill Raitt (New York: Crossroad, 1987) 121: „[F]or the first time in Christian<br />

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