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Auseinandersetzungen mit der Liebe - TOBIAS-lib - Universität ...

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Ideal von Tugend und Selbstkontrolle entspricht. Daß gerade eine Frau den Sokrates in <strong>der</strong><br />

wahren – und da<strong>mit</strong> letztlich geistigen – <strong>Liebe</strong> unterweist, stellt diese Unterweisungen in ein<br />

ambivalentes Licht. 37<br />

Infolge des von Misogynie geprägten Frauenbilds hat die männliche Homoerotik in <strong>der</strong><br />

griechischen Gesellschaft Vorrang, die Pä<strong>der</strong>astie ist dabei von beson<strong>der</strong>er Relevanz. 38<br />

„[L]ove was generally assumed to be a male phenomenon. Heterosexual attitudes were<br />

respected as a biological device, not a spiritual opportunity.“ 39 Die Pä<strong>der</strong>astie kann als Umsetzung<br />

des platonischen <strong>Liebe</strong>skonzepts in die Alltagspraxis gesehen werden, dem ein<br />

pädagogischer Aspekt innewohnt. Foucault charakterisiert die pä<strong>der</strong>astischen Beziehungen als<br />

„Verhältnisse zwischen einem Älteren, <strong>der</strong> seine Bildung vollendet hat und <strong>der</strong> sozial,<br />

moralisch und sexuell die aktive Rolle spielen soll – und dem Jüngeren, <strong>der</strong> seinen<br />

endgültigen Status noch nicht erreicht hat und <strong>der</strong> Hilfe, Ratschläge und Unterstützung<br />

braucht.“ 40 Hierbei ist wesentlich, daß in Platons Auffassung ein Zusammenhang zwischen<br />

dem Eros als <strong>der</strong> Erkenntnis des Guten und dem Philosophieren dahingehend besteht, daß die<br />

Philosophie als <strong>Liebe</strong> zur Weisheit selbst eine Ausprägung des Eros darstellt. So ist <strong>der</strong> oben<br />

beschriebenen Entwicklungsfolge ein weiterer Schritt für die Praxis hinzuzufügen: Der<br />

liebende Philosoph bzw. <strong>der</strong> philosophierende <strong>Liebe</strong>nde – was im Sinne Platons dasselbe ist –<br />

stellt seine Erkenntnisse in den Dienst <strong>der</strong> Allgemeinheit und führt junge Männer auf den<br />

Weg <strong>der</strong> Tugend, um ihnen da<strong>mit</strong> die Möglichkeit zu eröffnen, selbst das Gute zu erstreben. 41<br />

Diesen pädagogischen Ansatz verdeutlicht das Symposion exemplarisch in Alkibiades’<br />

Lobrede auf Sokrates (vgl. Sym 215a-222b). Sokrates achtet nicht auf äußere Schönheit und<br />

37<br />

Für einen genaueren Einblick in das Frauenbild <strong>der</strong> griechischen Antike sei verwiesen auf Anne Carson,<br />

„Putting Her in Her Place: Woman, Dirt, and Desire,“ Before Sexuality: The Construction of Erotic Experience<br />

in the Ancient Greek World, ed. David M. Halperin, John J. Winkler and Froma I. Zeitlin (Princeton: Princeton<br />

University Press, 1990) 135-169. Zur Funktion <strong>der</strong> Diotima im maskulin-homoerotisch ausgerichteten Symposion<br />

vgl. David M. Halperin, „Why Is Diotima a Woman? Platonic Eros and the Figuration of Gen<strong>der</strong>,“ Before<br />

Sexuality, a.a.O., 257-308. Halperin beantwortet die titelgebende Frage dahingehend, daß es sich hierbei<br />

lediglich um eine Instrumentalisierung <strong>der</strong> Frau handelt, die letztlich ihre untergeordnete Rolle bestätigt. Eine<br />

Ver<strong>mit</strong>tlung von Diotimas Lehre durch einen Mann würde die pä<strong>der</strong>astische Beziehung bekräftigen, was Platon<br />

jedoch vermeiden will. So wird ein eher ‘neutraler’ Standpunkt konstruiert, da diese Lehren für Diotima nicht<br />

<strong>mit</strong> persönlichen Interessen verbunden sind, was für einen Mann, <strong>der</strong> Männer belehrt, nicht gelten kann.<br />

38<br />

Vgl. Foucault, Der Gebrauch <strong>der</strong> Lüste 245f.<br />

39<br />

Singer, The Nature of Love 1 52.<br />

40<br />

Foucault, Der Gebrauch <strong>der</strong> Lüste 247.<br />

41<br />

In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, daß die pä<strong>der</strong>astische Beziehung für das griechische Denken eine<br />

komplexe, teilweise problematische Konstellation darstellt. Der unterschiedliche Status <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>nden im<br />

Hinblick auf ihr Alter und die soziale Position wird in <strong>der</strong> griechischen Gesellschaft notwendigerweise auf die<br />

sexuelle Beziehung abgebildet. Dominanz, Aktivität, Penetration und da<strong>mit</strong> Maskulinität stehen Submissivität,<br />

Passivität, Penetriert-Werden als eigentlich weibliche Eigenschaften gegenüber (vgl. Halperin, „Why Is Diotima<br />

a Woman?“ 266). Dies verdeutlicht eine Facette in <strong>der</strong> Problematik <strong>der</strong> Pä<strong>der</strong>astie: In welchem Ausmaß kann ein<br />

Knabe, <strong>der</strong> letztlich ein (aktiver) Mann werden soll, überhaupt passives Lustobjekt sein (vgl. Foucault, Der<br />

Gebrauch <strong>der</strong> Lüste 274ff)? Im Hinblick auf sexuelle Lustgefühle ist das Ziel nicht <strong>der</strong>en völlige Unterdrückung,<br />

son<strong>der</strong>n vielmehr ihre Mäßigung und absolute Selbstkontrolle, die als typisch männliche Tugenden gelten (vgl.<br />

Foucault, Der Gebrauch <strong>der</strong> Lüste 93f, 112f).<br />

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