Auseinandersetzungen mit der Liebe - TOBIAS-lib - Universität ...
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körperlichen <strong>Liebe</strong> behandeln. Insbeson<strong>der</strong>e bei Ovid erscheint die <strong>Liebe</strong> als Spiel, das<br />
allerdings <strong>mit</strong> Ernsthaftigkeit betrieben wird. In <strong>der</strong> Ars amatoria führt ein Lehrer <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong><br />
eine Vielzahl von Strategien <strong>der</strong> Verführung an, die oft auf <strong>der</strong> Vorspiegelung falscher<br />
Tatsachen und auf falschen Versprechen beruhen. Zum Erreichen ihrer (sexuellen) Ziele ist<br />
den <strong>Liebe</strong>nden jedes Mittel erlaubt; <strong>Liebe</strong> wird zum Rollenspiel, bei dem sich <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>nde je<br />
nach Person <strong>der</strong> Geliebten an<strong>der</strong>s verhält. 59 „Doch so gut [<strong>der</strong> Sprecher des Gedichts] sich in<br />
<strong>der</strong> Kunst <strong>der</strong> Verstellung auskennt, so wenig weiß er zu sagen, wenn es um echte Gefühle<br />
geht.“ 60 Es handelt sich hier vielmehr um eine regelrechte Rationalisierung jeden Gefühls.<br />
Wesentlich für dieses Modell sind die Fixierung auf Äußerlichkeiten wie die Schönheit (Ars I,<br />
245ff, 505ff) und den sexuellen Akt als Mittelpunkt und Ziel aller <strong>Liebe</strong>smühen. Dabei<br />
empfiehlt <strong>der</strong> Sprecher des Gedichts den Frauen, unter Umständen einen Orgasmus<br />
vorzutäuschen (vgl. Ars III, 797f). Selbst Gewaltanwendung wird als legitimes Mittel<br />
dargestellt: „Magst du es auch Gewalt nennen, diese Art <strong>der</strong> Gewalt ist den Mädchen<br />
willkommen; was Freude macht, wollen sie oft geben, ohne es wahrhaben zu wollen“ (Ars I,<br />
673f). Die Argumente zur Legitimation bleiben jedoch sehr einseitig, so daß hier nicht etwa<br />
im Sinne <strong>der</strong> Frauen gesprochen, son<strong>der</strong>n eher eine männliche Wunschvorstellung bedient<br />
wird. 61 Auch die For<strong>der</strong>ung, daß beide am sexuellen Akt Beteiligten gleichermaßen Lust<br />
empfinden sollen – weshalb <strong>der</strong> Sprecher auch die heterosexuelle <strong>Liebe</strong> <strong>der</strong> Pä<strong>der</strong>astie<br />
vorzieht – erscheint ebenso im ausschließlich männlichen Interesse (vgl. Ars II, 682ff). Dies<br />
kulminiert im dritten Buch <strong>der</strong> Ars amatoria, das sich explizit an die „zarten Mädchen“ (Ars<br />
II, 745) richtet. Hier bringt <strong>der</strong> Sprecher die Frauen entgegen <strong>der</strong> zu seiner Zeit herrschenden<br />
Misogynie <strong>mit</strong> Tugendhaftigkeit in Verbindung und gesteht ihnen eine aktive Rolle und so<strong>mit</strong><br />
eine Subjektposition in <strong>Liebe</strong>sdingen zu. Diese scheinbare Aufwertung muß allerdings als<br />
„womanipulation“ 62 verstanden werden, eine Belehrung also, bei <strong>der</strong> die Frau lediglich nach<br />
den Vorstellungen <strong>der</strong> Männer funktionalisiert wird. Der Entwurf von <strong>Liebe</strong> als<br />
Täuschungsstrategie bleibt so<strong>mit</strong> ganz klar männlich konnotiert.<br />
Die anakreontische Dichtung bleibt von vornherein im homoerotischen Rahmen und ist<br />
weniger explizit als Ovid, teilt jedoch die grundsätzliche Ausrichtung auf äußere Schönheit<br />
und körperlich-sinnliche <strong>Liebe</strong>. 63 Wie sie bei Ovid ein ernstes Spiel ist, stellt Anakreon die<br />
59<br />
Vgl. Ovid, Ars amatoria, Buch I, ll. 443ff, 603ff, 715ff; Buch II, ll. 251ff, 385ff. Verszählung und<br />
Übersetzung folgen Ovid, Ars amatoria. <strong>Liebe</strong>skunst, hg. u. übersetzt v. Michael von Albrecht (Stuttgart:<br />
Reclam, 1992), im folgenden bezeichnet <strong>mit</strong> dem Kürzel Ars.<br />
60<br />
Niklas Holzberg, Ovid: Dichter und Werk (München: C. H. Beck, 1997) 115.<br />
61<br />
Vgl. Holzberg 106.<br />
62<br />
Begriff nach Holzberg 111ff.<br />
63<br />
Vgl. hierzu z.B. die Texte von Anakreon bei Uvo Hölscher, Hg., Griechische Lyrik, übersetzt v. Eduard<br />
Mörike (Frankfurt am Main: Fischer, 1960) 52, Text 29; 69f, Text 31; 70f, Text 32.<br />
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