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Auseinandersetzungen mit der Liebe - TOBIAS-lib - Universität ...

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nackten Geliebten; die letzte Wonne aber wird ausgelassen“ (VdL I, vi, 471). Mit <strong>der</strong><br />

körperlichen Vereinigung wird die <strong>Liebe</strong> zu einer ‘gemischten <strong>Liebe</strong>’, die zwar weniger<br />

akzeptabel ist, aber dennoch gebilligt wird (vgl. VdL I, vi, 470-475). Lediglich eine exzessive,<br />

promiskuitive Wollust ist <strong>mit</strong> <strong>der</strong> höfischen <strong>Liebe</strong> nicht zu vereinbaren (vgl. VdL I, v, 7f).<br />

Ebenso sind <strong>Liebe</strong> und Ehe in dieser Auffassung wesenhaft verschieden, so daß „zwischen<br />

Ehemann und Ehefrau <strong>Liebe</strong> keinen Platz für sich beanspruchen kann“ (VdL I, vi, 367). So<strong>mit</strong><br />

ist auch die eheliche Bindung einer Dame für den höfischen Liebhaber kein grundsätzliches<br />

Hin<strong>der</strong>nis; vielmehr tragen die zu überwindenden Hürden zu einer Verstärkung <strong>der</strong><br />

<strong>Liebe</strong>serfahrung bei: „Um wieviel größer nämlich die Schwierigkeit ist, die Wonnen<br />

gegenseitig zu spenden und zu empfangen, um so mehr nehmen ja das Verlangen und die<br />

Neigung zu lieben zu“ (VdL II, ii, 1). Das dadurch bedingte Leiden ist wesentlicher<br />

Bestandteil <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>serfahrung und steht da<strong>mit</strong> auch im Zentrum von Andreas’ <strong>Liebe</strong>sdefinition:<br />

Die <strong>Liebe</strong> ist ein im Inneren geborenes Erleiden, welches aus dem Anblick und<br />

<strong>der</strong> unmäßigen gedanklichen Beschäftigung <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Wohlgestalt des an<strong>der</strong>en<br />

Geschlechts hervorgeht, <strong>der</strong>entwegen man sich über alles wünscht, die<br />

Umarmungen des an<strong>der</strong>en zu erlangen und alle Vorschriften <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong> nach dem<br />

Wunsch bei<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Umarmung des an<strong>der</strong>en erfüllt zu sehen (VdL I, i, 1). 97<br />

Beim Sprechen über die <strong>Liebe</strong> soll jedoch die persönliche Beziehung geheimgehalten werden:<br />

„Wer also seine <strong>Liebe</strong> lange Zeit unversehrt behalten will, muß sich vor allem vorsehen, daß<br />

die <strong>Liebe</strong> außerhalb ihrer Grenzen niemandem kundgetan wird, son<strong>der</strong>n allen verborgen<br />

bleibt“ (VdL II, i, 1). Aus diesen Komplikationen und Hin<strong>der</strong>nissen, die dem höfisch<br />

<strong>Liebe</strong>nden die Erfüllung vorenthalten, resultiert allerdings die Notwendigkeit, die da<strong>mit</strong><br />

verbundenen Gefühle schöpferisch zu verarbeiten: Die geliebte Dame wird zur Muse, gerade<br />

die Distanz und die Unerfüllbarkeit <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong> zu ihr wirken kreativitätsför<strong>der</strong>nd für den<br />

Ausdruck des <strong>Liebe</strong>ns per se. So ist <strong>der</strong> Ausdruck des <strong>Liebe</strong>sleidens <strong>mit</strong> „sehnsüchtige[r]<br />

Werbung“ und „ergebungsvolle[r] Klage“ in Lie<strong>der</strong>n und Dichtungen ein wesentlicher Aspekt<br />

<strong>der</strong> höfischen <strong>Liebe</strong>. 98 Durch die Anonymisierung <strong>der</strong> in den Texten verehrten Dame und die<br />

mehrdeutige Rhetorik <strong>mit</strong> ihren sexuellen Konnotationen sind die <strong>Liebe</strong>sdichtungen den<br />

Texten <strong>der</strong> Mystik auffallend ähnlich. 99 <strong>Liebe</strong> gilt hier allerdings als Selbstzweck, <strong>der</strong> keinen<br />

metaphysisch-religiösen Antrieb braucht. Idolatrie und Divinisierung <strong>der</strong> Geliebten sind für<br />

97 Die Formulierung legt nahe, daß Andreas’ Entwurf für beide Geschlechter gilt. Tatsächlich aber geht sein<br />

Werk vom Prototyp des männlichen <strong>Liebe</strong>nden aus. Das <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong> verbundene Leiden ist eine deutliche<br />

Gemeinsamkeit von Mystik und Minne. Wie dem Mystiker das himmlische Paradies zunächst versagt ist, ist für<br />

den höfischen Liebhaber das irdische Paradies versperrt o<strong>der</strong> nur über Hin<strong>der</strong>nisse zugänglich.<br />

98 Zitate nach Kuhn 98, siehe auch 98f. Ein literarischer Höhepunkt <strong>der</strong> höfischen <strong>Liebe</strong> kann im Werk von<br />

Dante und Petrarca gesehen werden. Zu den Leistungen bei<strong>der</strong> Dichter im Rahmen <strong>der</strong> amour courtois vgl.<br />

Kuhn 112-118.<br />

99 Vgl. Kristeva 273-75 und Kuhn 99.<br />

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