Auseinandersetzungen mit der Liebe - TOBIAS-lib - Universität ...
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Bezugsperson. „Zu den auffälligen Merkmalen <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>s-Semantik [...] gehört die Exklusivität.<br />
Es gilt als ausgemacht, und darüber besteht weithin Konsens, daß man nur eine Person zur<br />
gleichen Zeit wirklich lieben könne. Es wird auch diskutiert, ob dies nur einmal im Leben<br />
möglich sei; überwiegend wird dies aber abgelehnt als inkompatibel <strong>mit</strong> dem Gebot des<br />
Immer-<strong>Liebe</strong>ns.“ 126 Der geliebte Partner ist Sinnstifter und so<strong>mit</strong> für ein erfülltes Leben<br />
unabdingbar. „[Der <strong>Liebe</strong>nde] will im Glück des an<strong>der</strong>en sein eigenes Glück finden.“ 127 Diese<br />
Erfüllung wird in <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>sehe zugleich auch als sexuelle Erfüllung verstanden. Eheliche<br />
<strong>Liebe</strong> gilt nur dann wirklich als solche, wenn sie sowohl Zuneigung als auch körperliches<br />
Begehren einschließt: „[T]rue love is the conjunction of concupiscence with affection.“ 128<br />
Beispielhaft läßt sich das am Phänomen des ‘honeymooning’ aufzeigen. Was im 16. und 17.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t lediglich die Wochen un<strong>mit</strong>telbar nach <strong>der</strong> Hochzeit bezeichnet, in denen das<br />
Brautpaar im Fokus <strong>der</strong> Öffentlichkeit steht, setzt sich zunehmend das Konzept einer<br />
Hochzeitsreise durch, also „a private period of sexual and psychological exploration.“ 129 Hier<br />
offenbart sich die Ehe zum einen als exklusives Bündnis zweier Individuen und so<strong>mit</strong> als<br />
Privatangelegenheit, zum an<strong>der</strong>en wird deutlich, daß die Sexualität einen unverzichtbaren<br />
Bestandteil des Ehelebens ausmacht. Mit <strong>der</strong> Einbindung <strong>der</strong> sexuellen Leidenschaft in eine<br />
Ehe, die nicht mehr als reine Zweckgemeinschaft begriffen wird, werden auch zwei in den<br />
vorhergehenden Jahrhun<strong>der</strong>ten getrennte Sphären von sexueller Aktivität zusammengeführt,<br />
nämlich die innereheliche, die ursprünglich primär auf Nachkommenschaft gerichtet war, und<br />
die affektive Bindung <strong>der</strong> außerehelichen Affäre. 130<br />
Als Ideal des Bürgertums ist die <strong>Liebe</strong>sehe jedoch nicht etwa ein exzessives, son<strong>der</strong>n ein eher<br />
solides Modell. „It was also primarily among the middle class that the ideal of sexual restraint<br />
– chastity before marriage, fidelity during marriage – was enshrined. This development was<br />
due in part to the renewed religiosity of the nineteenth century, following the scepticism of<br />
the eighteenth; in part to the logic of romantic love, seeking fulfilment in only one soul<br />
mate.“ 131 In seiner Konventionalität – Luhmann spricht hier vom „institutionalisierte[n]<br />
Verständnis für schwärmerische Leidenschaft“ 132 – stellt das bürgerliche <strong>Liebe</strong>sideal ein<br />
126<br />
Luhmann, <strong>Liebe</strong> als Passion 123.<br />
127<br />
Luhmann, <strong>Liebe</strong> als Passion 174.<br />
128<br />
Gay 45. Vgl. auch Stone 542f.<br />
129<br />
Hitchcock 311. Das öffentliche Interesse an <strong>der</strong> Ehe im 16./17. Jahrhun<strong>der</strong>t zeigt sich z.B. in den Ritualen um<br />
die Hochzeitsnacht, in <strong>der</strong> die Hochzeitsgesellschaft das Brautpaar zu Bett bringt und am folgenden Morgen<br />
detailliert über den Vollzug <strong>der</strong> Ehe ausfragt. Zu den Entwicklungen des Konzepts vom ‘honeymoon’ vgl. Stone<br />
334-336.<br />
130<br />
Vgl. Stone 527-529, 542f.<br />
131<br />
Hitchcock 317.<br />
132<br />
Luhmann, <strong>Liebe</strong> als Passion 186.<br />
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