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Auseinandersetzungen mit der Liebe - TOBIAS-lib - Universität ...

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Diese Auffassung ist auch für den Text im engeren Sinne, also für den postmo<strong>der</strong>nen<br />

Literaturbegriff, von Bedeutung. Je<strong>der</strong> Text verweist notwendigerweise auf an<strong>der</strong>e Texte und<br />

ist so<strong>mit</strong> nie ein autonomes Werk, son<strong>der</strong>n immer Teil eines Intertexts. Der Text kann<br />

[e]r selbst [...] nur in seiner Differenz sein (was nicht heißt, in seiner<br />

Individualität); seine Lektüre [ist] vollständig aus Zitaten, Verweisen und Echos<br />

gesponnen: kulturelle Sprachen (welche Sprache wäre dies nicht?), vorangehende<br />

o<strong>der</strong> zeitgleiche Sprachen durchziehen ihn in einer weitläufigen Stereophonie.<br />

Das Intertextuelle, in das je<strong>der</strong> Text eingespannt ist, da er selbst <strong>der</strong> Zwischentext<br />

eines an<strong>der</strong>en Textes ist, darf nicht <strong>mit</strong> irgendeinem Ursprung des Textes<br />

verwechselt werden. 28<br />

Mit dem Aufgehen jedes Textes im Intertext ist auch eine originale Kreativität unmöglich<br />

geworden; Schreiben bedeutet notwendigerweise Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> dem Gewesenen<br />

bzw. bereits Bestehenden.<br />

1.2. Eine Geschichte <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>: Historischer Überblick<br />

Entsprechend <strong>der</strong> Auffassung von Text als Teil des Intertexts gilt auch für die hier<br />

untersuchten Texte, daß sie in <strong>der</strong> Tradition einer ‘Geschichte <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>’ stehen, die den Text<br />

vorgibt, <strong>mit</strong> dem sich das postmo<strong>der</strong>ne Schreiben über die <strong>Liebe</strong> auseinan<strong>der</strong>setzen muß.<br />

Theorien und Modelle, in denen das Denken über die <strong>Liebe</strong> gefaßt wurde, hat es zu allen<br />

Zeiten gegeben. Dabei fällt auf, daß sich diese tendenziell zwei Strömungen zuordnen lassen.<br />

Auf <strong>der</strong> einen Seite erscheint <strong>Liebe</strong> als ein Phänomen, das gemeinschaftsbildend und<br />

-stützend wirkt; dabei unterliegt sie <strong>der</strong> rationalen Kontrolle des Individuums bzw. <strong>der</strong><br />

Gesellschaft und stiftet Kohärenz. Dagegen steht eine Auffassung von <strong>Liebe</strong> als exzessiver<br />

und transgressiver Erscheinung, die sich je<strong>der</strong> Kontrolle entzieht und so<strong>mit</strong> eine sozial<br />

korrosive Wirkung hat. Die folgenden Darstellungen zeichnen die beiden Tendenzen nach,<br />

geben dabei einen Überblick über die ‘Geschichte <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>’ in ihren wesentlichen<br />

Ausprägungen in <strong>der</strong> westlichen Welt und schaffen so<strong>mit</strong> die Grundlage für eine intertextuelle<br />

Verortung <strong>der</strong> hier untersuchten Werke. 29 Trotz <strong>der</strong> weitgehend chronologischen Anordnung<br />

28 Roland Barthes, „Vom Werk zum Text,“ 1971, Das Rauschen <strong>der</strong> Sprache (Frankfurt am Main: Suhrkamp,<br />

2005) 68. Vgl. auch Roland Barthes, „Der Tod des Autors,“ 1968, Das Rauschen <strong>der</strong> Sprache 61f: „Wir wissen<br />

nun, daß ein Text nicht aus einer Wortzeile besteht, die einen einzigen gewissermaßen theologischen Sinn (das<br />

wäre die ‚Botschaft‘ des ‚Autor-Gottes‘) freisetzt, son<strong>der</strong>n aus einem mehrdimensionalen Raum, in dem<br />

vielfältige Schreibweisen, von denen keine ursprünglich ist, <strong>mit</strong>einan<strong>der</strong> harmonieren o<strong>der</strong> ringen [...].“<br />

29 Diese Entwürfe können lediglich einen notwendigerweise simplifizierenden und schematisierenden Ausschnitt<br />

aus zweieinhalb Jahrtausenden des Denkens über die <strong>Liebe</strong> geben. Versuche einer umfassenden Darstellung <strong>der</strong><br />

westlichen Konzepte von <strong>Liebe</strong> durch die Jahrhun<strong>der</strong>te sind – womöglich aufgrund <strong>der</strong> enormen Materialfülle –<br />

eher rar. Am ausführlichsten ist das dreibändige Werk von Irving Singer, The Nature of Love (New York:<br />

Random House; Chicago: University of Chicago Press, 1966-87). Einen kürzeren Überblick bietet Helmut Kuhn,<br />

„<strong>Liebe</strong>“: Geschichte eines Begriffs (München: Kösel, 1975). Darüber hinaus gibt es verschiedenste Arbeiten <strong>mit</strong><br />

einer speziellen Fokussierung des Themas. So zeichnet z.B. Jacques Le Brun, Le Pur Amour de Platon à Lacan<br />

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