Auseinandersetzungen mit der Liebe - TOBIAS-lib - Universität ...
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<strong>Liebe</strong> ist eine Art kosmische Harmoniefunktion, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> die <strong>Liebe</strong>nden in eine als göttlich<br />
verstandene Natur eingebunden werden. Dies verdeutlicht die erste Strophe des Gedichts<br />
„Love’s Philosophy“:<br />
The Fountains mingle with the River<br />
And the Rivers with the Ocean,<br />
The winds of Heaven mix forever<br />
With a sweet emotion;<br />
Nothing in the world is single,<br />
All things by a law divine<br />
In one spirit meet and mingle.<br />
Why not I with thine? 158<br />
Auch das Ende des Epipsychidion (ll. 540ff) entwirft das Ideal einer die Paarbeziehung<br />
transzendierenden <strong>Liebe</strong>. Beson<strong>der</strong>s deutlich wird die Wechselbeziehung von <strong>Liebe</strong> und<br />
Natur bzw. Kosmos in Prometheus Unbound. Während die Trennung von Asia und<br />
Prometheus einen Verfall <strong>der</strong> Natur <strong>mit</strong> sich bringt (vgl. Akt I), blüht diese <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />
Wie<strong>der</strong>vereinigung <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong>nden wie<strong>der</strong> auf (vgl. Akt III, 3); selbst Erde und Mond<br />
verbinden sich in kosmischer Harmonie (vgl. IV, ll. 318ff). „Love [...] folds over the world its<br />
healing wings“ (IV, 557-61) – hier erscheint Shelleys Ideal einer <strong>Liebe</strong>, die nicht nur die<br />
zwischenmenschliche Sphäre, son<strong>der</strong>n die Welt in ihrer Gesamtheit umfaßt und als<br />
heilbringende, transformierende Kraft wirkt. 159 Wenngleich die Umsetzung dieses Ideals in<br />
eine <strong>Liebe</strong>spraxis eher schwer vorstellbar ist, hat Shelleys <strong>Liebe</strong>smodell <strong>mit</strong> seinem Postulat<br />
<strong>der</strong> Aufhebung je<strong>der</strong> gesellschaftlichen Beschränkung doch subversives Potential. In ihrer<br />
Uneingeschränktheit kann diese <strong>Liebe</strong> als Legitimation für einen Bruch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
dienen. So<strong>mit</strong> steht sie als sozial korrosive ‘romantische’ Auffassung dem bürgerlichen<br />
Entwurf diametral entgegen.<br />
Mit den Forschungen von Sigmund Freud (1856-1939) überschreiten die <strong>Liebe</strong>sdiskurse die<br />
Schwelle zum 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. Als einem seiner Hauptforschungsgebiete beschäftigt sich<br />
Freud über mehrere Jahrzehnte <strong>mit</strong> dem Thema <strong>Liebe</strong>. Sein psycho-pathologisches <strong>Liebe</strong>smodell<br />
ist demnach nicht ganz einheitlich, da es ständigen Revisionen unterworfen ist.<br />
Trotzdem lassen sich die wesentlichen Aspekte von Freuds <strong>Liebe</strong>svorstellung festhalten. In<br />
seinem Aufsatz „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ (1921) definiert er die <strong>Liebe</strong> wie folgt:<br />
driven theory of gen<strong>der</strong>. If unfettered free love had been Shelley’s project, he would not have established two<br />
successive households with a wife and unmarried sister“ (18f).<br />
158<br />
Vgl. auch „On Love“ 632: „This is Love. This is the bond and the sanction which connects not only man with<br />
man, but with everything which exists.“<br />
159<br />
In diesem Aspekt des Transformationspotentials wird auch deutlich, wie sich Shelleys <strong>Liebe</strong>svorstellung <strong>mit</strong><br />
seiner Begeisterung für revolutionäre politische Ideen zusammenbringen läßt.<br />
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