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Auseinandersetzungen mit der Liebe - TOBIAS-lib - Universität ...

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wobei dies teilweise <strong>der</strong>art vergeistigt ist, daß <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong> metaphysisches, geradezu religiöses<br />

Potential zugesprochen wird. 138<br />

Generalisierende Aussagen über ‘das Romantische’ sind allerdings insofern problematisch,<br />

als die einzelnen Wortführer gerade Individualisten sind, von denen je<strong>der</strong> sein persönliches<br />

Ideal formuliert und lebt. Allein die großen Unterschiede zwischen den Big Six <strong>der</strong> englischen<br />

Romantik, also Blake, Wordsworth, Coleridge, Byron, Shelley und Keats, machen die<br />

Uneinheitlichkeit bzw. die Vielfalt <strong>der</strong> romantischen Entwürfe deutlich. Wordsworth, ehemals<br />

Sympathisant <strong>der</strong> französischen Revolution <strong>mit</strong> demokratischen Überzeugungen, lebt in einer<br />

langjährigen Ehe und wird in seinem Spätwerk politisch und religiös <strong>der</strong>art konservativ, daß<br />

er von manchen Zeitgenossen als konventionell-bürgerlich abgestempelt wird. Einen<br />

extremen Gegenpol dazu bietet Byron in seiner radikalen Nonkonfor<strong>mit</strong>ät, <strong>der</strong> sowohl ein<br />

notorisch exzessives <strong>Liebe</strong>sleben führt 139 als auch in seinen literarischen Werken kriminelltransgressive<br />

Figuren zu Protagonisten macht. Dabei ist Byrons Haltung selbst bereits von<br />

internen Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten geprägt, wie auch sein Selbstbild verdeutlicht: „He found<br />

himself mad (and maddening), brilliant and perverse, magnanimous and competitive, egotistic<br />

and idealistic, homosexual and heterosexual, domineering and acquiescent, and a host of other<br />

contradictory things – and so do we.“ 140 John Keats dagegen erscheint als geradezu<br />

hypersensibler Dichter, <strong>der</strong> sich in seiner poetischen Kreativität in die Nähe des Femininen<br />

rückt und in seinen Texten <strong>mit</strong> Gen<strong>der</strong>-Identitäten und Verschmelzungssehnsüchten spielt. 141<br />

Beispielhaft für einen romantischen Entwurf sollen hier die <strong>Liebe</strong>svorstellungen von Percy<br />

Bysshe Shelley (1792-1822) aus seinem Leben und Werk heraus genauer dargestellt werden,<br />

ohne diese jedoch als ‘typisch romantisch’ verallgemeinern zu wollen.<br />

Shelley ist sowohl in seinen Ansichten als auch in seiner Lebenspraxis dem Bürgertum radikal<br />

entgegengesetzt. Von Geburt her dem Adel zugehörig, lehnt er sich jedoch gegen dessen<br />

Konservatismus und den ererbten Wohlstand auf und wird Verfechter von sozialistischem<br />

Gedankengut. 142 „At his most progressive, Shelley could be pro-feminist, proto-ecological,<br />

138 Vgl. Gay 55.<br />

139 Vgl. Gay 59: „Byron, accompanied by scandal, followed by rumors, pilloried by pamphlets, cut his sexual<br />

swath across England and the Continent, amassing scores of mistresses in a display of frantic sexual<br />

athleticism.“ Byron hatte zudem homosexuelle Beziehungen sowie eine inzestuöse Neigung zu seiner<br />

Halbschwester. Eine kurze Einführung in Byrons turbulentes (<strong>Liebe</strong>s-)Leben und dessen Darstellung durch<br />

verschieden Biographen gibt Paul Douglass, „Byron’s Life and His Biographers,“ The Cambridge Companion to<br />

Byron, ed. Drummond Bone (Cambridge: Cambridge University Press, 2004) 7-26.<br />

140 Douglass 12.<br />

141 Vgl. z.B. Ann K. Mellor, „Keats and the Complexities of Gen<strong>der</strong>,“ The Cambridge Companion to Keats, ed.<br />

Susan J. Wolfson (Cambridge: Cambridge University Press, 2001) 214-229.<br />

142 Diese Einstellung ist aber nicht ohne Konflikte: So hat Shelley trotzdem vor, eines Tages den ihm<br />

zustehenden Sitz im Parlament einzunehmen. Vgl. die kurze, aber gute Darstellung von Shelleys Biographie bei<br />

Theresa Kelley, „Life and Biographies,“ The Cambridge Companion to Shelley, ed. Timothy Morton<br />

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