OST trifft WEST - Aktuell ASIA
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Wirtschaft China<br />
Stadtwirtschaft der Welt – direkt hinter New York City und<br />
Tokio. Im vergangenen Jahr erreichten die beiden Städte<br />
Shenzhen und Hongkong gemeinsam ein Bruttoinlandsprodukt<br />
von 259 Milliarden US-Dollar, was nur noch von New York<br />
City, Tokio und London übertroffen wurde. Dieses rosarote<br />
Bild der Hongkonger Kommission stößt bei einigen anderen<br />
Experten jedoch auf große Skepsis, denn zu groß seien die noch<br />
zu überwindenden Hürden. So ist Chinas Währung noch immer<br />
nicht frei konvertierbar, was aber eine Grundvoraussetzung für<br />
einen freien Kapital- und Warenfluss wäre. Gleichzeitig seien<br />
die Rechtssysteme so grundverschieden, dass die rechtlichen<br />
Grundlagen eines allgemeinen Wirtschaftsraumes Metropolis<br />
gesondert erarbeitet werden müssten. Ob die Kombination<br />
gelingt und dann noch immer attraktiv für internationale Unternehmen<br />
ist, bleibt offen.<br />
Dass die Zukunftswünsche nach einer Integration der beiden<br />
Städte realisierbar sind, zeigen zunehmende Anstrengungen<br />
von beiden Seiten. Doch sind die Überlegungen auch durchaus<br />
kontrovers zu verstehen. Die chinesische Garantie des<br />
Die Metropole wäre die drittgrößte<br />
Stadtwirtschaft der Welt – direkt<br />
hinter New York City und Tokio<br />
„Ein Land, zwei<br />
Systeme“ ist die<br />
B e d i n g u n g f ü r<br />
Hongkongs hervorgehobeneStellung.<br />
Zwar klingen<br />
die Bemühungen<br />
und Perspektiven<br />
sowohl aus der<br />
Richtung Shenzh<br />
e n s a l s a u c h<br />
Hongkongs ehrgeizig,<br />
doch wären sie<br />
die Untergrabung<br />
der Autonomiegarantie.<br />
So führte<br />
eine Vereinfachung<br />
der Grenzübertritte<br />
für Shenzhener<br />
genauso wie die<br />
übergreifende wirtschaftlicheVerflechtung<br />
quasi zu<br />
einer Abschaffung<br />
der Trennung. Zwar<br />
beziehen sich sämtliche<br />
Überlegungen<br />
auf eine wirtschaftliche<br />
Kooperation,<br />
doch ist die Frage,<br />
inwiefern sich eine politische und strukturelle Trennung dann<br />
noch beibehalten lässt. Hongkongs Attraktivität ist vor allem<br />
auf der Transparenz eines nach britischem Vorbild geschaffenen<br />
Rechtssystem, einer effektiven Administration und der<br />
damit einhergehenden Drehscheibenfunktion zwischen dem<br />
Festland-China und der Weltwirtschaft begründet. Hongkongs<br />
Ambitionen, sich stärker an das Festland zu binden, sind jedoch<br />
aus der jüngeren Vergangenheit nachzuvollziehen. Seit der<br />
Rückgabe an China am 1. Juli 1997 erlebte die Stadt schwere<br />
Wirtschaftskrisen. Bereits einen Tag nach der Rückgabe<br />
begann die Asienkrise, als die thailändische Regierung den<br />
Baht abwerten musste und sich auch Hongkong der Krise nicht<br />
entziehen konnte. Gerade von der Asienkrise erholt, setzte der<br />
nächste Schock ein, als im Jahr 2000 die Dotcom-Blase platzte<br />
und auch Hongkong durch seine enge Anbindung an die USamerikanische<br />
Wirtschaft in einen Abwärtsstrudel geriet. Und<br />
schließlich brach 2003 die Lungenseuche SARS aus, die in<br />
Hongkong rund 300 Todesopfer forderte. Hongkongs Bestrebungen,<br />
sich dem großen Mutterland anzunähern, sind also<br />
nachvollziehbar, denn China hat in den vergan-<br />
genen Jahren bewiesen, dass es souverän mit<br />
solchen Krisen umgehen konnte. Gleichzeitig<br />
hat sich das Festland als Partner erwiesen, denn<br />
obwohl im Morgengrauen des 1. Juli 1997 etwa<br />
4.000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee Chinas<br />
ihre Quartiere in Hongkong bezogen, hat<br />
Beijing die zugesagte Politik der Autonomie des Stadtstaates<br />
verfolgt. Bis heute hat sich die Prophezeiung des amerikanischen<br />
Ökonomie-Nobelpreisträgers Milton Friedman, dass<br />
Beijing binnen zwei Jahren die Hongkonger Währung abschaffen<br />
würde, nicht bewahrheitet. Stattdessen können sowohl in<br />
Shenzhen als auch in Hongkong die Besucher fast überall mit<br />
dem chinesischen Yuan oder dem Hongkong-Dollar zahlen.<br />
Dass das „Ein Land, zwei Systeme“–Prinzip von den Metropolisplänen<br />
durchaus betroffen wäre - dessen sind sich die Experten<br />
der Kommission bewusst. So sollen auch in Metropolis die<br />
unterschiedlichen Rechtssysteme, Besteuerungs- und Währungsmodalitäten<br />
beibehalten werden. Wie dies in der Praxis<br />
umsetzbar sein soll, lassen die Experten jedoch offen. Dafür<br />
bieten sie einen Ausblick, was einer Shenzhen-Hongkong-<br />
Metropolis folgen kann: „Mit der ökonomischen Integration<br />
von Hongkong und Shenzhen kann das Metropolisgebiet auch<br />
auf Macau und Zhuhai auf der anderen Seite des Perlflussdeltas<br />
ausgeweitet werden.“ Einzig die Namensfindung der neuen<br />
Supermetropole kann mit den Überlegungen noch nicht Schritt<br />
halten. Bisher ist die Rede von einer Shen-Kong-City. Denn<br />
die Befürworter wollen nicht dauerhaft mit dem Film von Fritz<br />
Lang in Verbindung gebracht werden. Im filmischen „Metropolis“<br />
herrscht eine deutliche Zwei-Klassen-Gesellschaft<br />
zwischen Superreichen und verarmenden Arbeitern, die sich<br />
gegen das ausbeuterische System auflehnen. Da klingt Shen-<br />
Kong-City besser, ist es doch auch eine Kombination aus dem<br />
hochchinesischen Shen für „tief“ und dem kantonesischen<br />
Kong für „Hafen“ und damit auch sprachliches Sinnbild für<br />
die Verschmelzung.<br />
Von nick burg in guangzhou<br />
Seite 18 aktuell <strong>ASIA</strong> 03/2008<br />
Foto: polartern