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Praktische Theologie - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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herrscht Einigkeit über die wissenschaftlichen Grundprinzipien und Methoden. 11<br />

Natürlich hat dies auch zur Folge, daß kritische Anfragen an die Gültigkeit des<br />

Paradigmas kaum aus den Reihen derer kommen, die sich ihm verpflichtet<br />

fühlen. Hier liegt einer der Gründe für die Immobilität und Innovationsträgheit<br />

der normalen Wissenschaft. 12<br />

Neben ihrer fokussierenden und integrierenden Wirkung haben Paradigmen eine<br />

weitere positive Auswirkung auf die Effektivität des Wissenschaftsbetriebes: Sie<br />

ermöglichen es, daß bei der Forschung der jeweilige Problembereich nicht<br />

jedesmal neu definiert werden muß und entscheidende Schlußfolgerungen stets<br />

aufs neue abzuleiten und zu beweisen sind. Vielmehr kann die Forschung da<br />

weitergehen, wo der Geltungsbereich des Paradigmas verschwimmt. 13<br />

Eine ambivalente Begleiterscheinung der prägenden Kraft von Paradigmen ist<br />

die Tendenz zur Spezialisierung in der Wissenschaft. Da die 'Grundlagen' als<br />

bekannt vorausgesetzt werden können, geschieht die eigentliche Forschung an<br />

den feinen Verästelungen des Problemfeldes. Die dadurch ermöglichte hohe<br />

Präzisierung hat negative Auswirkungen auf die Kommunikationsfähigkeit der<br />

Wissenschaft. Ergebnisse werden nicht mehr wie früher in verständlicher<br />

Sprache berichtet und in jedermann zugänglichen Büchern veröffentlicht. Es<br />

erweist sich zunehmend als schwierig, sie einer breiten Öffentlichkeit zur<br />

Diskussion vorzustellen. Wegen ihres hohen Differenzierungs- und<br />

Abstraktionsgrades ermöglicht die Wissenschaftssprache nur noch<br />

Verständigung unter Fachkollegen. Forschungsberichte werden zunehmend in<br />

Artikelform in Fachzeitschriften publiziert oder kursieren in nichtveröffentlichten<br />

Manuskripten unter den Mitgliedern der jeweiligen Gemeinschaft.<br />

Die Wissenschaft steht so in Gefahr, den Kontakt zur Gesamtgesellschaft und<br />

damit den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie droht elitär zu werden und<br />

unzugänglich für Kritik von außen. 14<br />

Trotz der verschiedenen Nachteile betrachtet Kuhn es als ein Zeichen der Reife,<br />

wenn sich der Wissenschaftsbetrieb auf der Grundlage eines umfassenden und<br />

ausgeformten Paradigmas organisiert und strukturiert. 15<br />

1.1.4. Die Entstehung von Krisen und ihre Konsequenzen für die<br />

Wissenschaft<br />

Ob früher oder später, irgendwann einmal, so Kuhns Feststellung, wird die<br />

"normale" Wissenschaft im Vollzug ihrer Arbeit unweigerlich auf "Anomalien"<br />

stoßen, d.h. mit neuen und unvermuteten Phänomenen in der Natur konfrontiert,<br />

deren Existenz das Paradigma nicht erwarten ließ.<br />

In vielen Fällen wird die Anomalie in den geltenden Theorierahmen integriert.<br />

Dies geschieht in einem "destruktiv-konstruktiven" Prozeß, in dessen Verlauf das<br />

geltende Paradigma gewisse Modifikationen erfährt. 16<br />

11<br />

Ebd., 26; vgl. auch z.B.: ebd., 187.<br />

12<br />

Ebd., 26.<br />

13<br />

Ebd., 34.<br />

14<br />

Ebd.; vgl. auch ebd., 175 f.<br />

15 Ebd., 26.<br />

15

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