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Praktische Theologie - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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Ein neues Wissenschaftsverständnis<br />

Wenn es auch im Mittelalter noch keine "Wissenschaft", insbesondere "Naturwissenschaft"<br />

im heutigen Sinn 35 gegeben hat, so gab es doch bereits eine<br />

methodisch verantwortete Auseinandersetzung sowohl mit geistigen Inhalten als<br />

auch mit den physikalischen und biologischen Gegebenheiten dieser Welt. Die<br />

Naturforschung basierte weitgehend auf antiken Grundlagen, seit dem 12. Jahrhundert<br />

besonders auf dem Werk des Aristoteles. Das Hauptinteresse solcher<br />

Vorformen wissenschaftlicher Besinnung galt allerdings nicht der<br />

Naturerkenntnis, sondern der Vertiefung der Einsichten auf dem Gebiet der<br />

Philosophie und der <strong>Theologie</strong>. Die Gelehrsamkeit in diesen Bereichen entwickelte<br />

sich im Mittelalter innerhalb von zwei Traditionsströmen, einem<br />

rational-systematischen und einem kontemplativ-intuitiven. 36 Der eine kam her<br />

über Augustin, der andere über den Neuplatonismus. Jenen nannte man in seiner<br />

Blütezeit Scholastik, diesen Mystik. Beide ergänzten einander mehr, als daß sie<br />

einen Gegensatz bildeten. Wie sich bereits bei Augustin neuplatonisches<br />

Gedankengut mit genuin christlichem verband, so finden sich auch bei vielen<br />

Scholastikern mystische Anteile und umgekehrt.<br />

Beide Formen dieser "Wissenschaft" waren eingebunden in das Wollen der<br />

Kirche. Vor ihr hatte sich alle Forschung (auch die "naturwissenschaftliche") zu<br />

verantworten. Die biblischen Bücher, Schriften bedeutender Männer der<br />

Kirchengeschichte und kuriale Verlautbarungen lieferten neben der <strong>Theologie</strong><br />

vor allem der Philosophie das zu bearbeitende Material und bestimmten die<br />

Gegenstände des Forschens. Letztes und höchstes Ziel allen Nachdenkens war<br />

die Vertiefung des Glaubens.<br />

Die Scholastiker versuchten, dieses Ziel zu erreichen durch theologischphilosophische<br />

Ausdifferenzierung und Systematisierung der Kirchenlehre, die<br />

Mystiker, indem sie die Gläubigen anleiteten, der Seele durch Kontemplation<br />

Kontakt mit dem Unendlichen zu ermöglichen, einen Kontakt der seinen<br />

Höhepunkt mitunter im ganzheitlichen Erlebnis der "unio mystica" fand.<br />

Im 13. Jahrhundert strebte die scholastische Wissenschaft ihrem Höhepunkt zu.<br />

Der Aufschwung wurde vor allem begünstigt durch die von den jüdischen und<br />

arabischen Philosophen Spaniens in Gang gebrachte Aristoteles-Renaissance<br />

sowie durch die Einrichtung erster Universitäten und durch den Eintritt der<br />

Bettelorden in die wissenschaftliche Arbeit.<br />

In der Hochscholastik wurde die Harmonisierung von Vernunft und Offenbarung<br />

zum erklärten Ziel. Am großartigsten ist dieses Ideal verwirklicht im Werk des<br />

"doctor angelicus", Thomas von Aquin (+ 1274), der aritotelisches und<br />

35 Etwa im Sinne der Scholz'schen Mindestforderungen: "Satzpostulat", "Kohärenzpostulat",<br />

"Kontrollierbarkeitspostulat" und weiter (allerdings umstritten):<br />

"Unabhängigkeitspostulat und "Konkordanzpostulat" (Heinrich Scholz, referiert bei<br />

Pannenberg 1973, 271 f.). Einen anderen Kriterienkatalog hat z.B. Hartmut von Hentig<br />

aufgestellt: "Wissenschaft ist angewiesen auf 1. Mitteilung, 2. Verständlichkeit,<br />

3. Gewißheit, 4. Zusammenhang und Vollständigkeit, 5. Spezialisierung, 6. Verfügbarkeit,<br />

7. Kontinuität" (Wissenschaftsdidaktik, 1970, 26, zit. in: Pannenberg 1974, 11.). Z ur<br />

"Emanzipation der Geisteswissenschaften von den Naturwissenschaften" vgl. das<br />

gleichlautende Kapitel in Pannenberg 1973, 74 ff.<br />

36 Mit der Terminologie Watzlawicks könnte man von einem "linkshemisphäri-schen" und<br />

einem "rechtshemisphärischen" Erkenntnispfad sprechen. Vgl. Watzlawick 1978, 22 ff.<br />

35

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