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Praktische Theologie - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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der Ausruf überliefert: "ubi materia, ibi geometria!" 40 Alle Dinge der sichtbaren<br />

Welt sind nach seiner Anschauung aus den gleichen Grundbausteinen<br />

zusammengesetzt, ihre Verschiedenheit resultiert aus der Art, wie diese<br />

zusammengeballt, angeordnet und aufeinander bezogen sind. Er erkennt, daß die<br />

Ereignisse in der Natur nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten ablaufen, die<br />

mathematisch erfaßt und beschrieben werden können.<br />

Ein Zeitgenosse Keplers und Galileis war der englische Lordkanzler Francis<br />

Bacon (1561-1626). Unabhängig von der Entwicklung auf dem Kontinent hatte<br />

er bereits eine beachtliche naturwissenschaftliche Kompetenz entwickelt. Er<br />

wandte als erster die induktive Methode an und führte experimentelle<br />

Forschungen durch. Von ihm stammt die folgenschwere Anschauung, daß die<br />

Naturforschung vorangetrieben werden müsse mit dem Ziel, die Natur zu beherrschen.<br />

41 Zur methodischen Klarheit und auf das mathematische Niveau eines<br />

Kepler oder Galilei ist er jedoch nicht gelangt. Dies blieb einem späteren<br />

Landsmann von ihm vorbehalten, dem es dann gegeben war, die Grundlagen der<br />

klassischen theoretischen Physik zu formulieren, und der von daher als<br />

eigentlicher Begründer der modernen Naturwissenschaft angesehen wird: Sir<br />

Isaac Newton (1642-1727). Ebenfalls zu großer Wirkung gelangte in England<br />

Sir Robert Boyle (1627-1692), der vor allem auf dem Gebiet der Chemie<br />

Bahnbrechendes leistete.<br />

Auf dem Kontinent aber war zu Lebzeiten Keplers und Galileis noch ein anderer<br />

Forscher tätig, dessen Schwerpunkt mehr auf philosophischem Gebiet lag: René<br />

Descartes (1596-1650). Seine Bedeutung für den Umschwung zum Paradigma<br />

der Neuzeit ist fundamental (dazu siehe unten).<br />

Gesellschaftliche Veränderungen<br />

Im Mittelalter war das gesellschaftliche Leben verhältnismäßig starr geregelt<br />

durch das Feudalsystem, die Ständeordnung, Zunftvorschriften und das enge<br />

Korsett der kirchlichen Moralvorstellungen. Als Wirtschaftsform war im<br />

wesentlichen die Naturalwirtschaft verbreitet.<br />

Erste Brüche hatte dieser, als göttlicher "ordo" verstandene, soziale Kosmos<br />

erhalten, als die beiden konstituierenden und stabilisierenden Kräfte des<br />

Systems, Sacerdotium und Imperium, im Zuge der Investiturstreitigkeiten<br />

miteinander in Konflikt geraten waren. Mit dem Einsetzen der Renaissance<br />

begann, mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in den einzelnen Ländern, die<br />

Auflösung der überkommenen Sozialstrukturen. Von entscheidender Bedeutung<br />

war dabei die schrittweise Umstellung der Naturalwirtschaft auf das<br />

geldwirtschaftliche System.<br />

Entsprechend dem Autonomiepostulat löste sich nun zunehmend auch der<br />

ökonomische Bereich aus der kirchlichen Steuerung. So verlor beispielsweise das<br />

kanonische Zinsverbot an Einfluß, dies wiederum ermöglichte - als<br />

Voraussetzung wirtschaftlicher Unternehmertätigkeit - das Kreditwesen.<br />

40 Störig 1972, Bd. 1, 286.<br />

41 Vgl. Windelband 1957, 331.<br />

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