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Praktische Theologie - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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Kuhn von sich aus darauf hin, daß er seine Grundanschauung der<br />

wissenschaftlichen Entwicklung als einer Abfolge traditionsgebundener Perioden<br />

mit zwischengeschalteten nicht-kumulativen Umbrüchen nicht selbst erarbeitet,<br />

sondern aus anderen Gebieten übernommen hat: "Die Geschichtsschreibung der<br />

Literatur, Musik, bildenden Kunst, Politik und vieler anderer menschlicher<br />

Tätigkeiten beschreibt ihren Gegenstand seit langem auf diese Weise.<br />

Periodisierung durch revolutionäre Umbrüche von Stil, Geschmack und<br />

institutioneller Struktur gehören zu ihren Standardwerkzeugen. Wenn ich<br />

hinsichtlich solcher Vorstellungen originell war, dann hauptsächlich durch ihre<br />

Anwendung auf die Naturwissenschaften." 59 Von daher seien die diesbezüglichen<br />

Thesen seines Buches auch auf nichtwissenschaftlichem Gebiet "zweifellos<br />

anwendbar". Freilich dürfe nicht übersehen werden: "Obgleich die<br />

wissenschaftliche Entwicklung derjenigen anderer Gebiete vielleicht ähnlicher<br />

ist, als oft angenommen wird, unterscheidet sie sich doch auch auffallend von<br />

ihr." 60<br />

In der Tat lassen sich derartige "ganze Konstellationen von Überzeugungen,<br />

Werten, Verfahrensweisen usw., die von den Mitgliedern einer gegebenen<br />

Gemeinschaft geteilt werden" bzw., wie Stephan Pfürtner in einem scharfsinnigen<br />

Aufsatz 61 dargelegt hat, einen jeweiligen gesamten Verständnis- und Verständigungszusammenhang<br />

konstituieren und strukturieren, in den verschiedensten<br />

kulturellen Bereichen feststellen. Hans Küng, der als einer der ersten die<br />

Paradigmendiskussion im Bereich der <strong>Theologie</strong> angestoßen hat, bevorzugt es<br />

allerdings, statt von "Paradigmen", von "Interpretationsmodellen, Erklärungsmodellen,<br />

Verstehensmodellen" zu sprechen. 62 Besonders hilfreich erscheint<br />

uns dabei seine Differenzierung in "Makro-", "Meso-" und<br />

"Mikroparadigmen". 63 Er registriert solche grundlegenden Verstehensmodelle<br />

z.B. nicht nur in der Kunst, sondern vor allem auch im Bereich der Religion. 64<br />

Wie der Blick in die Geschichte lehrt, entfalten bestimmte (Makro)Para-digmen<br />

eine derartige Energie, daß sie nicht nur über die jeweilige Gemeinschaft, in der<br />

sie entstanden sind, hinaus auch auf andere Gemeinschaften einwirken, sondern<br />

sogar das Weltbild und die Lebenswelt ganzer Gesellschaften prägen. Ihr Einfluß<br />

wird spürbar in den sozialen Institutionen, in den Vollzügen von Wirtschaft,<br />

Politik und Kultur, in den Grundanschauungen und im Lebensgefühl aller<br />

Menschen. Die bestimmende Kraft solcher Verstehensmodelle kann über lange<br />

Zeiträume hin wirken und das Gesicht ganzer Epochen zeichnen. In der Tat,<br />

hier ist Küng recht zu geben, waren es nicht selten religiöse<br />

Grundorientierungen, die in dieser Weise bestimmend wurden, man denke etwa<br />

an die tiefgreifende Prägung Europas durch die Aktivitäten der christlichen<br />

59<br />

Ebd., 220.<br />

60<br />

Ebd.<br />

61<br />

Pfürtner in: Küng/Tracy 1984, 168-192.<br />

62<br />

Vgl. ebd., 163.<br />

63<br />

Vgl.: Küng/Tracy 1984, 21.<br />

64<br />

Vgl. Küng 1987, 253 ff. Vgl. dort besonders auch seine Ausführungen zum "Weiterleben<br />

'überlebter' Paradigmen in Kunst und Religion" (260 ff.). In Küng 1990 bietet er zusätzlich<br />

zu seiner Schematisierung der Paradigmenwechsel im Bereich des Christentums, ebd. 155,<br />

auch eine Schautafel zu "Paradigmen der prophetischen Religionen im historisch-systematischen<br />

Vergleich". Ebd., 156.<br />

23

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