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Praktische Theologie - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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ichtige Maß einer wissenschaftlichen Leistung (den) Grad ... , in dem sie uns<br />

diesem endgültigen Ziel näherbringt". 46<br />

Kuhn ist skeptisch. Er verweist auf die ärgerniserregende These Darwins, nach<br />

der die Evolution nicht in einer teleologischen Form verläuft. Die biologischen<br />

Gegebenheiten sind Ergebnisse eines Prozesses, "der sich zwar stetig von<br />

primitiven Anfängen fort, aber nicht auf ein Ziel hin bewegt(e)". 47 Für Darwin<br />

vollzieht sich Entwicklung lediglich als Modifikation des Vorhandenen,<br />

gleichsam blind, nur an den jeweiligen Erfordernissen zur besseren Bewältigung<br />

bestimmter Situationen orientiert.<br />

In dieser Hinsicht sieht Kuhn die Analogie zwischen der Evolution von Organismen<br />

und der Evolution wissenschaftlicher Ideen "fast vollkommen". 48 Er<br />

folgert: "Wenn wir lernen könnten, die Entwicklung-von-dem-aus-was-wirwissen<br />

an die Stelle der Entwicklung-auf-das-hin-was-wir-wissen-möchten zu<br />

setzen, würde vielleicht eine Anzahl lästiger Probleme verschwinden. Irgendwo<br />

in diesem Irrgarten muß zum Beispiel das Problem der Induktion liegen." 49<br />

1.2. Toulmins Kritik an Kuhn<br />

Scharf kritisiert wurde Kuhn besonders von Stephen Toulmin. Er verweist<br />

darauf (ohne Beleg allerdings!), daß Kuhns Thesen über den Paradigmenwechsel<br />

inhaltlich bereits zwanzig Jahre früher von R.G.Collingwood vertreten worden<br />

sind und in der Fachwelt kritisch diskutiert wurden, u.a. von ihm, Toulmin,<br />

selbst. Toulmin sieht derart enge Parallelen zwischen beiden Positionen, "daß<br />

man ein Lexikon zur Übersetzung der einen in die andere aufstellen kann". 50<br />

Was bei Kuhn "Paradigmen", sind bei Collingwood "Konstellationen absoluter<br />

Voraussetzungen", deren Wechsel sich ebenfalls "revolutionär" vollzieht.<br />

Wegen der gedanklichen Verwandtschaft wiederholen sich laut Toulmin denn<br />

auch bei Kuhn die bereits Collingwood nachgewiesenen Irrtümer. Sie ergeben<br />

sich zwangsläufig aus der Annahme zweier wesensmäßig voneinander verschiedener,<br />

gegensätzlicher Arten wissenschaftlichen Wandels, eben des<br />

"normalen", der - rational nachvollziehbar - innerhalb des Rahmens eines<br />

gegebenen Paradigmas verlaufe, und des "revolutionären", der - mit rationalen<br />

Kategorien kaum faßbar - einen Wechsel des Paradigmas bewirke. Diese<br />

Vorstellung von einer Art "Diskontinuität der Vernunft" 51 verleite zu der<br />

Fehleinschätzung, daß ein rationaler Diskurs zwischen Anhängern verschiedener<br />

Paradigmen unmöglich sei. 52 Wer den geschichtlichen Ideenwandel so als eine<br />

irrationale Abfolge von rationalen Brüchen beschreibe, offenbare jedoch<br />

lediglich seine karikierende und extrem naive Sicht der Historie.<br />

46<br />

Ebd., 182.<br />

47<br />

Ebd., 184.<br />

48<br />

Ebd.<br />

49<br />

Ebd., 182 f.<br />

50<br />

Toulmin 1983, 123. Zum fol-genden vgl. ebd., 122 ff.<br />

51 Ebd., 145.<br />

52 Vgl. ebd., 126 u. 150.<br />

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