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Praktische Theologie - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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- ausschließlich dem Denken die Kraft zutraute, zur Wahrheit vorzudringen.<br />

Früher hatte man diese Kraft dem Glauben und dem Willen zugeschrieben. 52<br />

Descartes war überzeugt davon, daß sich "Wissenschaft", als System wahrer<br />

Aussagen über die Welt der Erscheinungen, auf bestimmten, nicht bezweifelbaren<br />

Grundsätzen aufbauen müsse, aus denen dann die anderen Sätze abgeleitet<br />

werden können. 53<br />

Seine Anschauungen hatte er 1637 zum erstenmal vorgetragen im "Discours de<br />

la méthode, pour bien conduire la raison et chercher la vérité dans les sciences".<br />

Das Werk war gegliedert in sechs Abschnitte. 54 Im zweiten Abschnitt legte<br />

Descartes die vier Grundsätze der von ihm erarbeiteten, am Vorbild der<br />

Mathematik orientierten Methode dar. Entscheidende Bedeutung maß er seiner<br />

ersten Maxime bei: "Nichts für wahr zu halten, was nicht mit Evidenz als wahr<br />

erkannt sei, indem es sich mit einer jeden Zweifel ausschließenden Klarheit und<br />

Bestimmtheit dem Geiste darstellt (si clairement et si distinctement, que je<br />

n'eusse aucune occasion de le mettre en doute)." 55<br />

Wolfgang Röd weist darauf hin, daß Descartes die Ausdrücke "klar" und<br />

"distinkt" zunächst indefinit verwendet hat. Erst in den "Prinzipien der Philosophie"<br />

definierte er eine Idee als 'klar', "wenn ihr Inhalt dem Denken unmittelbar<br />

gegenwärtig und offenbar ist, und als 'distinkt', wenn alle Bestandteile<br />

ihrer Definition klare Ideen sind und sie daher von allen anderen Begriffen<br />

vollständig unterschieden ist. ... Offensichtlich sind alle distinkten Ideen auch<br />

klar, während nicht alle klaren Ideen distinkt sein müssen." 56<br />

Entsprechend seinen Voraussetzungen suchte Descartes nun nach einem<br />

"einzigen Prinzip höchster und absoluter Gewißheit ..., von dem aus alsdann<br />

nach kompositiver Methode der gesamte Umfang der Erfahrung seine<br />

Erklärung finden müsse. Diese Forderung war durchaus originell und wurzelte<br />

in dem Bedürfnis nach einem systematischen Zusammenhang aller<br />

menschlichen Erkenntnis: sie beruhte zuletzt auf dem Überdruß an der<br />

traditionellen Aufnahme des historisch zusammengelesenen Wissens und auf<br />

der Sehnsucht nach einer neuen philosophischen Schöpfung aus einem Guß." 57<br />

52 Vgl. Schlatter 1959, 28 ff. Der erste Eindruck, hier handle es sich um den etwas skurrilen<br />

und nicht ernstzunehmenden Ausflug eines gealterten Neutestamentlers in artfremdes<br />

Gebiet wird bei genauerer Kenntnisnahme dieser überaus gehaltvollen Vorlesungsreihe<br />

rasch korrigiert. Vgl. auch die Laudatio Thielickes: "Zum Geleit", ebd. 7-21.<br />

53 Vgl. Röd (Hg.) 1978, 53. Nach Descombes (1981, 9) sind der "Discours de la méthode" und<br />

die drei daran anschließenden "Essais de cette méthode" als die Antwort Descartes' auf die<br />

skeptischen "Essais" seines berühmten Landsmannes Michel de Montaigne zu verstehen.<br />

Die Auseinandersetzung Descartes' mit Montaigne markiere den Beginn der französischen<br />

Philosophie.<br />

54 1. Considerations touchant les sciences (eine autobiographische Skizze). 2. Principales<br />

règles de la méthode (methodische Grundlegung). 3. Quelques règles de la morale, tirées de<br />

cette méthode. 4. Raisons qui prouvent l'existence de Dieu et de l'ame humaine, ou<br />

fondement de la métaphysique. 5. Ordre des questions de physique (4+5 = Skizze der<br />

Cartesianischen Metaphysik). 6. Quelles choses sont requises pour aller plus avant en la<br />

recherche de la nature (über die Anwendung der Physik auf die Heilkunde). Nach Heinze<br />

(Hg.) 1888, 67 ff.<br />

55 Diese Paraphrase des Descartes'schen Textes findet sich bei Heinze bzw. Überweg, a.a.O.,<br />

68. Der französische Text dürfte ein wörtliches Descartes-Zitat sein.<br />

56 Röd (Hg.) 1978, 63.<br />

57 Windelband 1957, 334.<br />

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