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Praktische Theologie - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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sich unter gewissen Bedingungen radikale Umschwünge, bei denen das alte<br />

Paradigma zertrümmert und durch ein neues ersetzt wird.<br />

Für das Zustandekommen eines derartigen revolutionären Umschwunges müssen<br />

bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:<br />

- die vom alten Paradigma bereitgestellten Hilfsmittel müssen sich als<br />

weitgehend untauglich für die Lösung der neuen Probleme erwiesen haben;<br />

- bei vielen Forschern muß der Eindruck entstanden sein, daß die alte<br />

Tradition sehr weit in die Irre geführt hat;<br />

- ein neues Paradigma muß erkennbar sein, das an die Stelle des alten treten<br />

könnte;<br />

- bei einer gewissen Anzahl von Forschern muß sich eine innere Bereitschaft<br />

gebildet haben, das alte Paradigma zu verwerfen und das neue zu<br />

übernehmen bzw. die Überzeugung entstanden sein, daß das neue Paradigma<br />

für die Lösung der Probleme besser geeignet ist.<br />

Die Art und Weise, wie sich schließlich der Übergang zum neuen Paradigma<br />

vollzieht, läßt sich zunächst mit logischen Kategorien kaum erfassen. Schon der<br />

Zeitpunkt, an dem das neue Paradigma zum erstenmal auftaucht, ist<br />

unberechenbar. 22 Manchmal zeichnet sich seine Gestalt bereits keimhaft in den<br />

Ergebnissen ab, die die Wissenschaft bei ihrem Bemühen hervorbringt, die<br />

Anomalien zu bewältigen. Genauso gut ist es aber auch möglich, daß keinerlei<br />

Anzeichen vorhanden sind. "Vielmehr taucht das neue Paradigma oder ein<br />

ausreichender Hinweis auf eine spätere Artikulierung ganz plötzlich, manchmal<br />

mitten in der Nacht, im Geist eines tief in die Krise verstrickten Wissenschaftlers<br />

auf." 23<br />

Ist das neue Paradigma dann erst einmal hinreichend formuliert, zeigt sich rasch<br />

ob es die Kraft hat, sich durchzusetzen. Erweist es sich als tauglich, wird es<br />

innerhalb weniger Jahrzehnte, spätestens nach einer Generation von der<br />

jeweiligen wissenschaftlichen Gemeinschaft anerkannt. 24<br />

Was in den Wissenschaftlern vorgeht, die sich als erste dem neuen Paradigma<br />

zuwenden, ist nicht leicht zu erklären. Offenbar bildet sich die Überzeugung, daß<br />

die Probleme, die das alte Paradigma in die Krise gestürzt haben, auf dem Boden<br />

des neuen gelöst werden können, zunächst nur zu einem geringen Teil aufgrund<br />

rationaler Erwägungen. Ein wissenschaftlicher Beweis für die größere Tragkraft<br />

des neuen Paradigmas läßt sich vom Standpunkt des alten aus nicht erbringen.<br />

Unterschiedliche Paradigmen sind "inkommensurabel". 25 Sie konstituieren<br />

jeweils eine verschiedene Sicht der Wirklichkeit. Das methodische und<br />

begriffliche Handwerkszeug des alten Paradigmas reicht zur Analyse und<br />

Bewertung des neuen nicht aus. Erfahrungswerte, die die Kompetenz des neuen<br />

Paradigmas dokumentieren könnten, sind jedoch in der Anfangsphase noch<br />

kaum vorhanden.<br />

22<br />

Vgl. Struktur, 99.<br />

23<br />

Ebd., 102; vgl. auch 155.<br />

24<br />

Vgl. ebd., 163.<br />

25<br />

Vgl. ebd., 159 ff; vgl. auch 106 ff.<br />

17

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