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Praktische Theologie - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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Erscheinung sei; daß die Dinge, die wir anschauen, nicht das an sich selbst sind, wofür<br />

wir sie anschauen, noch ihre Verhältnisse so an sich selbst beschaffen sind, als sie uns erscheinen,<br />

und daß, wenn wir unser Subjekt oder nur die subjektive Beschaffenheit der<br />

Sinne überhaupt aufheben, alle die Beschaffenheit, alle Verhältnisse der Objekte im Raum<br />

und Zeit, ja selbst Raum und Zeit verschwinden würden, und als Erscheinungen nicht an<br />

sich selbst, sondern nur in uns existieren können. Was es für eine Bewandtnis mit den<br />

Gegenständen an sich und abgesondert von aller dieser Rezeptivität unserer Sinnlichkeit<br />

haben möge, bleibt gänzlich unbekannt ... . Wenn wir diese unsere Anschauung auch zum<br />

höchsten Grade der Deutlichkeit bringen könnten, so würden wir dadurch der Beschaffenheit<br />

der Gegenstände an sich selbst nicht näher kommen. Denn wir würden auf allen Fall<br />

doch nur unsere Art der Anschauung, d.i. unsere Sinnlichkeit vollständig erkennen, und<br />

diese immer nur unter den dem Subjekt ursprünglich anhängenden Bedingungen von Raum<br />

und Zeit; was die Gegenstände an sich selbst sein mögen, würde uns durch die aufgeklärteste<br />

Erkenntnis der Erscheinung derselben, die uns allein gegeben ist, doch niemals<br />

bekannt werden." 88<br />

Alles zu erkennende Material, das durch die Sinnlichkeit aufgenommen wird, ist<br />

also bereits durch die Anschauungsformen Raum und Zeit geprägt. Gleichzeitig,<br />

denn nur das Zusammenspiel von Anschauung und Begriff ermöglicht<br />

Erkenntnis, erfolgt eine weitere Prägung des Materials durch die reinen<br />

Verstandesbegriffe, die Kant in Anlehung an Aristoteles "Kategorien" nennt. Sie<br />

korrespondieren den vier logischen Grundfunktionen des Denkens bei der<br />

Bildung von Urteilen.<br />

Kant stellt folgende "Tafel der Kategorien" auf: 89<br />

1. Der Quantität 2. Der Qualität<br />

Einheit Realität<br />

Vielheit Negation<br />

Allheit Limitation<br />

3. Der Relation 4. Der Modalität<br />

der Inhärenz und Subsistenz Möglichkeit - Unmöglichkeit<br />

(substantia et accidens) Dasein - Nichtsein<br />

der Kausalität und Dependenz Notwendigkeit - Zufälligkeit<br />

(Ursache und Wirkung)<br />

der Gemeinschaft<br />

(Wechselwirkung zwischen dem<br />

Handelnden und Leidenden)<br />

Nachdem nun auch das zweite konstitutive Element des Erkennntisvorganges<br />

bekannt ist, läßt sich dieser Vorgang folgendermaßen rekonstruieren (wobei alles<br />

natürlich nicht nacheinander, sondern gleichzeitig geschieht): Die Eindrücke<br />

laufen durch den 'Filter' oder das 'Model' der apriorischen Formen der<br />

Sinnlichkeit und werden so zu Anschauungen im Konnex von Raum und Zeit.<br />

Diese Anschauungen werden wiederum durch den 'Filter' oder das 'Model' der<br />

reinen Verstandesbegriffe geordnet und aufbereitet, und in dieser Weise werden<br />

sie dann dem begrifflichen Denken zugänglich und können zu Urteilen<br />

verarbeitet werden.<br />

In einem komplizierten Gedankengang, der "transzendentalen Deduktion",<br />

untersucht Kant weiterhin die Frage, mit welcher Berechtigung sich überhaupt<br />

die apriorischen Formen der Sinnlichkeit, vor allem aber die reinen<br />

Verstandesbegriffe auf Gegenstände beziehen lassen.<br />

Dabei zeigt er auf, daß alle bewußte Geistestätigkeit in der "reinen" bzw.<br />

"ursprünglichen Apperzeption" wurzelt. 90 Etwas "unter eine Apperzeption brin-<br />

88 Ebd., 87.<br />

89 Ebd., 118.<br />

90 Ebd., 136.<br />

49

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