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Praktische Theologie - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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Einleitung<br />

I) Der Glaube an Jahwe, den Befreier und an Jesus Christus, den Erlöser, wirkt<br />

als Ferment der Veränderung in dieser Welt. Das Evangelium ist der radikale<br />

Widerspruch zu den Menschen und den Verhältnissen, so wie sie sind. Wo es<br />

aufgenommen wird, kommen Prozesse des Wandels in Gang, steinerne Herzen<br />

werden lebendig und Schlafende erwachen, Blumen durchstoßen den Beton, in<br />

der "Packeisgesellschaft" brechen heiße Quellen auf.<br />

Der christliche Glaube drängt zum Handeln. Das Evangelium will kommuniziert<br />

und praktiziert werden. Christen sind "Täter des Worts, nicht Hörer allein" - sie<br />

sollten es sein... . Jedenfalls ist die Praxis der Prüfstein für die Echtheit, die<br />

Tiefe und die Intensität des Glaubens. In der Praxis wird auch erst die Wahrheit<br />

des Geglaubten evident.<br />

Christliche Praxis ist im Kern stets Praxis der Liebe. Das Urbild und Vorbild<br />

dieser Liebe ist Christus. Er spricht: "Das ist mein Gebot, daß ihr euch untereinander<br />

liebet, gleichwie ich euch liebe" (Joh. 15,12). Wo immer dieses Gebot<br />

ernst genommen wird, beginnt bereits der "neue Himmel" und die "neue Erde"<br />

mitten unter den Menschen zu wachsen.<br />

<strong>Theologie</strong> ist die gedankliche Durchdringung des christlichen Glaubens. Insofern<br />

dieser Glaube eine eminent praktische Angelegenheit ist, ist sie selbst "sapientia<br />

eminens practica" (Hollaz). Die exegetischen Disziplinen stehen vor der<br />

Aufgabe, die biblische Tradition des Glaubens zu erforschen und in die Gegenwart<br />

hinein zum Sprechen zu bringen. In der historischen Disziplin vergewissert sich<br />

die Christenheit der eigenen Geschichte. Die systematische Disziplin entfaltet<br />

die rationalen und ethischen Implikationen der Dogmen und verteidigt sie nach<br />

innen wie nach außen. Die <strong>Praktische</strong> <strong>Theologie</strong> aber wacht über die Praxis.<br />

Von daher läßt sie sich mit Helmut Gollwitzer durchaus verstehen als das "Herz<br />

der <strong>Theologie</strong>". 1 In dreifacher Hinsicht ist sie die Anwältin der christlichen<br />

Praxis: Sie dringt erstens darauf, daß das Christsein nicht theoretisch bleibt, ein<br />

bloßes "Wissen um bestimmte Dinge" oder nur eine "innere Angelegenheit des<br />

Herzens", sondern sich umsetzt in gelebtes Leben, sich realisiert in dieser Welt.<br />

Sie hinterfragt zweitens die vorfindliche Praxis der Christen bzw. der Kirche<br />

daraufhin, inwieweit in ihr tatsächlich christliche Praxis, Praxis der Liebe eben,<br />

verwirklicht wird. Und sie reflektiert drittens darauf, wie die Praxis der Liebe auf<br />

den verschiedenen Handlungsfeldern konkrete Gestalt gewinnen kann.<br />

Als Anwältin der christlichen Praxis kann die <strong>Praktische</strong> <strong>Theologie</strong> freilich<br />

ihren Blick nicht beschränken auf den kirchlichen Bereich. Christliches Handeln<br />

ist immer schon eingebettet in die gesamte Praxis einer gegebenen Gesellschaft<br />

und wird von ihr mitbestimmt. Christliches Handeln ist zugleich immer schon<br />

ausgerichtet auf die gesamte Praxis der jeweiligen Gesellschaft und will auf sie<br />

einwirken. Kirche ist stets Kirche in der Welt und Kirche für die Welt. 2<br />

Gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge sind somit ebenso Gegenstand<br />

der praktisch-theologischen Reflexion wie binnenkirchliche Problemstellungen.<br />

1 Vgl. Gollwitzer 1977, 525.<br />

2 Vgl. Langes Zusammenfassung von Bonhoeffers Kirchenbegriff (1981, 59): "Das Kirchesein<br />

der Kirche entscheidet sich in ihrem Fürsein für die Welt."<br />

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