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Prof. Dr. Stefan Gaitanides Ergebnisse der wissenschaftlichen ...

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Migranten haben eine auch große Scheu, vertrauliche Privatangelegenheiten – z.B.<br />

Erziehungskonflikte, Partnerprobleme, Suchtabhängigkeit, Delinquenz in <strong>der</strong> Familie –<br />

mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anonymer Institutionen zu besprechen, Dinge, die<br />

sie bisher eher Bezugspersonen anvertraut haben, mit denen sie in einem engen<br />

verwandschaftlichen und/o<strong>der</strong> freundschaftlichem Verhältnis stehen. Die Klage über<br />

privates Leid darf den Innenraum <strong>der</strong> Primärgruppe nicht verlassen, die “schmutzige<br />

(Familien)Wäsche nicht in <strong>der</strong> Öffentlichkeit gewaschen werden.” Dies ist ein streng<br />

sanktioniertes auch in <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>er-Community gepflegtes traditionelles Tabu. Wird<br />

es gebrochen wirkt sich das u.U. auf die Eskalation <strong>der</strong> Konflikte aus.<br />

Von daher legen Migranten größten Wert auf Diskretion und Vertraulichkeit. Wenn ihnen<br />

diese nicht gegeben scheint, können sie sich nicht offenbaren. Ganz beson<strong>der</strong>s sicher<br />

müssen sie bei den eigenen Landsleuten sein, dass diese keinerlei Informationen nach<br />

außen tragen, weil bei ihnen die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass sich ihre Wege im<br />

Privatbereich mit denen “ihrer Leute” kreuzen. Nicht selten kommt es deshalb vor, dass<br />

Migrantinnen bei heiklen Familienthemen explizit nach einer deutschen Beratungskraft<br />

verlangen. Bei an<strong>der</strong>en Problemlagen mit aufenthaltsrechtlicher Relevanz o<strong>der</strong> in Fragen<br />

des Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilferechtes ist es eher umgekehrt, dass man/frau eher den<br />

Landsleuten Dinge anvertraut, die einem bei <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>behörde gefährlich werden<br />

könnten, weil bei Landleuten eher eine parteiliche Haltung unterstellt wird und mehr<br />

Behördendistanz. Viele Familien haben die Phantasie, dass die Institutionen alle unter<br />

einer Decke stecken. Sie haben z.B. kein Wissen über die institutionelle Unabhängigkeit<br />

<strong>der</strong> freien Träger von den öffentlichen Ämtern mit staatlicher Kontrollfunktion. Von daher<br />

muß erst einmal intensive Überzeugungsarbeit bezüglich <strong>der</strong> diskreten Behandlung <strong>der</strong><br />

Informationen geleistet werden, bevor die Klienten ihre heiklen Informationen preisgeben,<br />

ohne <strong>der</strong>en Kenntnis für die anstehenden Problem nicht angemessen bearbeitet werden<br />

können.<br />

Vertrauliche Behandlung von Informationen<br />

Keine Weitergabe von Informationen ohne Einverständnis <strong>der</strong> Kundinnen und<br />

Kunden<br />

Räumliche Voraussetzungen für vertrauliche Gespräche, bei denen <strong>Dr</strong>itte nichts<br />

mitbekommen, sollten gegeben sein.<br />

Während <strong>der</strong> Behandlung des Falles sollen die Kundinnen und Kunden nicht nach<br />

privaten Angelegenheiten gefragt werden.<br />

Es kommt auf die Person an, man vertraut nicht <strong>der</strong> Nationalität.<br />

Viele Migranten haben ein gesellschaftlich vermitteltes geringes Selbstbewußtsein gepaart<br />

mit traditioneller Konfliktscheu. Sie sind eher indirekte als direkte Konfliktaustragungsmuster<br />

gewöhnt. Konfrontative Kritik “in aller Öffentlichkeit” – also vor Personen, die<br />

nicht dem Privatkreis <strong>der</strong> Familie angehören – wird u.U. als verletzen<strong>der</strong> Angriff auf die<br />

Integrität ihrer Person erfahren, als demütigende Beschämung. Aus dieser soziokulturellen<br />

Perspektive erscheint die “Direktheit” kritischer Äußerungen von<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leicht als verletzende Taktlosigkeit und Mangel an<br />

Feingefühl. Kritik v.a. von professionellen Autoritätspersonen, so wünscht man/frau sich,<br />

sollte “schonend” und in einem vertrauensvollen Setting – am besten “unter vier Augen” –<br />

vorgetragen werden.<br />

Taktgefühl, Diskretion

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