Die Dokumentation im PDF-Format - Friedenskonferenz
Die Dokumentation im PDF-Format - Friedenskonferenz
Die Dokumentation im PDF-Format - Friedenskonferenz
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
gesellschaftliche Spektrum <strong>im</strong> Iran<br />
skizzieren, auch in Bezug auf die<br />
Haltung der Bevölkerung zur Atomfrage<br />
und zur Entwicklung nach den<br />
Wahlen <strong>im</strong> Iran.<br />
Herr Professor Mohssen Massarat<br />
schließt sich mit einer Beleuchtung<br />
der deutschen Verantwortung für<br />
den drohenden Krieg und einer Darstellung<br />
des gesamten Atomkonfl ikts<br />
an. Es zirkuliert bereits eine Petition,<br />
die Herr Professor Massarat formuliert<br />
hat, auf die er dann auch Bezug<br />
nehmen will.<br />
Herr Andreas Zumach wird das<br />
letzte Wort dieser Darstellungsrunde<br />
haben und sich mit der Rolle der EU<br />
und der UNO befassen. Tut die EU,<br />
tut die UNO etwas zur Kriegsvermeidung<br />
und was tun sie? Hier wie<br />
schon bei Professor Massarat spielt<br />
zwangsläufi g auch die USA wieder<br />
eine wichtige Rolle.<br />
Danach ist dann ein 30 – 45-minütiger<br />
Austausch auf dem Podium<br />
vorgesehen. Im Anschluss daran<br />
freuen wir uns auf Ihre Fragen und<br />
Beiträge. Und dabei bitte ich Sie<br />
jetzt schon herzlich um die Benutzung<br />
des Saalmikrofons, das einstweilen<br />
noch hier vorne steht.<br />
Eine resümierende Schlussrunde auf<br />
dem Podium schließt unsere Diskussion<br />
ab.<br />
Nun beginnen wir mit der Runde der<br />
Statements. Ich stelle Sie zunächst<br />
<strong>im</strong>mer vor.<br />
Frau Dr. Amirpur ist als Tochter<br />
eines iranischen Vaters und einer<br />
deutschen Mutter in Köln geboren.<br />
Als Islamwissenschaftlerin und<br />
Politologin können Sie eine Art Basis<br />
für unser heutiges Gespräch schaffen.<br />
Der kundige iranische Blickwinkel,<br />
auch und besonders Ihre<br />
Kenntnis der jungen Internet- und<br />
Weblog-Szene <strong>im</strong> Iran – eine sehr<br />
interessante Szene – die uns von<br />
allen Vorurteilen befreien könnte,<br />
kann uns bei einer entschieden<br />
nicht-kolonialen Einstellung helfen.<br />
Dazu gehört auch Ihre Auseinandersetzung<br />
mit dem schiitischen Islam,<br />
denn auch wenn sie selbst vom Bedeutungsverlust<br />
der Religion <strong>im</strong> Iran<br />
sprechen, so stellt er <strong>im</strong>mer noch<br />
die Grundlage der Argumentation<br />
der Herrschenden dar. Als Wissenschaftlerin<br />
haben Sie an der Bonner<br />
Universität einen Lehrauftrag, als<br />
Publizistin veröff entlichen Sie in<br />
der Süddeutschen Zeitung, <strong>im</strong> WDR<br />
und <strong>im</strong> Deutschlandfunk. Aus Ihrem<br />
Buch über die iranische Nobelpreisträgerin<br />
Schirin Ebadi habe ich viel<br />
über das Land Ihres Vaters erfahren,<br />
und besonders hat mich beeindruckt<br />
Ihr Aufsatz über das Jahrhundert der<br />
Schia, also das gegenwärtige Jahrhundert<br />
– als Jahrhundert des Schiitentums<br />
sozusagen. Frau Amirpur,<br />
ich darf Sie nun bitten, zum Thema<br />
des politischen und des gesellschaftlichen<br />
Spektrums <strong>im</strong> Iran, gerade in<br />
Bezug auf die atomare Frage und auf<br />
die jüngste Entwicklung nach den<br />
Wahlen, zu sprechen.<br />
Amirpur: Vielen Dank für die<br />
freundliche Einladung<br />
und Guten<br />
Abend Ihnen<br />
allen.<br />
Ich würde mich<br />
gerne <strong>im</strong> Wesentlichen<br />
zwei<br />
Fragen widmen:<br />
Zuerst der Frage,<br />
was treibt diesen<br />
Menschen Ahmadinedschad, den<br />
iranischen Präsidenten, denn nun<br />
eigentlich an? Wie ist er zu den Äußerungen<br />
gekommen, die er in den<br />
letzten Monaten von sich gegeben<br />
hat - in Bezug auf Israel und auf den<br />
Holocaust? Ahmadinedschad war<br />
mehr oder weniger ein No-Name<br />
in Iran. Er war Bürgermeister von<br />
Teheran, nur wenige kannten ihn. Er<br />
ist dann irgendwann aufgestellt worden<br />
zu der Wahl, die <strong>im</strong> Juni stattgefunden<br />
hat, und es gab mehrere<br />
große Probleme bei dieser Wahl. Es<br />
haben sich die reformorientierten<br />
Kräfte zersplittert; sie haben drei<br />
Kandidaten aufgestellt, was zur Folge<br />
hatte, dass die reformorientierte<br />
Bevölkerung – die Mittelschicht<br />
mehr oder weniger – sich auf drei<br />
Kandidaten aufgeteilt hat. Dementsprechend<br />
hat keiner der drei Kandidaten<br />
genug St<strong>im</strong>men erzielt, wobei<br />
<strong>im</strong>mer noch von Wahlfälschungen<br />
gesprochen wird, aber so ganz weiß<br />
man das nicht.<br />
Am Ende lief es auf das Ergebnis<br />
hinaus, dass Rafsandschani, der<br />
Ex-Präsident Irans, und Ahmadinedschad<br />
zur Stichwahl standen.<br />
Jemand wie Rafsandschani ist für<br />
große Teile der Bevölkerung schlicht<br />
nicht wählbar gewesen. Rafsandschani<br />
wird assoziiert mit Korruption,<br />
mit Bonzentum, mit Staatsterrorismus<br />
<strong>im</strong> In- und Ausland. Es<br />
wurde dann ein Fernsehduell gezeigt<br />
zwischen Ahmadinedschad und Rafsandschani.<br />
Da saß Rafsandschani in<br />
seinem goldbestickten Talar und <strong>im</strong><br />
Hintergrund fl <strong>im</strong>merten die Bilder<br />
seiner sämtlichen Villen – Rafsandschani<br />
ist der reichste Mann Irans<br />
– über die Leinwand und daneben<br />
saß Ahmadinedschad und hat<br />
gesagt: ”Ich bin der Straßenkehrer<br />
des Volkes. Ich werde diesem Volk<br />
Gerechtigkeit bringen. Ich werde<br />
die Erdöleinkommen umverteilen.<br />
Ich werde vor allem für den kleinen<br />
Mann da sein, der nichts hatte von<br />
dieser Revolution; für den werde ich<br />
etwas tun.“ Nach diesem Fernsehduell<br />
hätte sogar ich Ahmadinedschad<br />
gewählt.<br />
Nun muss ich allerdings in Iran nicht<br />
zur Wahl gehen; es gibt aber große<br />
Bevölkerungsteile, die <strong>im</strong> Iran zur<br />
Wahl gehen müssen. Studenten müssen<br />
wählen. Wenn sie den Stempel<br />
nicht in ihrem Ausweis haben, dann<br />
bekommen sie keinen Studienplatz.<br />
Es gibt Leute in der Administration,<br />
die wählen gehen müssen, und so<br />
war es klar, dass er – na, klar kann<br />
man nicht sagen, aber es ist einigermaßen<br />
nachvollziehbar - dass er gewählt<br />
wurde, gerade gegenüber eben<br />
diesem Bonzen Rafsandschani. Er ist<br />
von 17 Millionen gewählt worden.<br />
Man kann jetzt darüber spekulieren,<br />
ob es ein bisschen Wahlfälschung<br />
gab, ein zwei Millionen St<strong>im</strong>men<br />
werden sie gefälscht haben, aber er<br />
ist <strong>im</strong>mer noch von einer mehr oder<br />
minder satten Mehrheit gewählt<br />
worden.<br />
Nun war dieser Mensch an der<br />
Macht. Er ist zwar angetreten mit<br />
dem Wahlspruch “Wir haben die islamische<br />
Revolution nicht gemacht,<br />
um Demokratie einzuführen”, aber<br />
FK 2006 - 37