Die Dokumentation im PDF-Format - Friedenskonferenz
Die Dokumentation im PDF-Format - Friedenskonferenz
Die Dokumentation im PDF-Format - Friedenskonferenz
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
unterschätzen würde. Im Jahre 1951<br />
wurde ein Mann zum iranischen<br />
Ministerpräsidenten gewählt,<br />
Mohammed Mossadegh. Mohammed<br />
Mossadegh hat das getan, was<br />
ungefähr 98 Prozent der gesamten<br />
Bevölkerung unterstützt haben - er<br />
hat das iranische Erdöl verstaatlicht.<br />
Das iranische Erdöl wurde bis dahin<br />
von den Briten und den Holländern<br />
ausgebeutet, und die Iraner haben<br />
Peanuts bekommen für ihr eigenes<br />
Öl. Er ist hingegangen und hat gesagt:<br />
„Das ist unser Öl. Wir bekommen<br />
die Erträge.” Der Mann wurde<br />
zwei Jahre lang boykottiert. Er wurde<br />
unterstützt von der Bevölkerung.<br />
<strong>Die</strong>, die es sich leisten konnten,<br />
haben Kapitalanleihen aufgenommen,<br />
um ihn zu unterstützen. Und<br />
als die westliche Welt gesehen hat,<br />
dass man diesen Mann auf Boykottwegen<br />
nicht klein kriegt, ist die CIA<br />
hingegangen und hat geputscht. Sie<br />
haben den Mann weggeputscht. Und<br />
haben Mohammad Reza Pahlawi als<br />
Schah wieder eingesetzt, der zu dem<br />
Zeitpunkt schon gefl ohen war - nach<br />
Rom - vor seinem Ministerpräsidenten.<br />
Das ist unter anderem einer<br />
der Gründe gewesen, warum es zur<br />
islamischen Revolution gekommen<br />
ist. Das ist, glaube ich, der Mossadegh-Komplex,<br />
den die meisten Iraner<br />
haben. Sobald Einmischung von<br />
außen droht, schart sich dieses Volk<br />
hinter dem herrschenden Reg<strong>im</strong>e zusammen.<br />
Weil man sagt: „Alles, aber<br />
keine ausländische Einmischung.“<br />
<strong>Die</strong>ses Phänomen habe ich auch<br />
beobachtet <strong>im</strong> iranisch-irakischen<br />
Krieg. Es gibt nichts, was so sehr<br />
beigetragen hat zum Überleben<br />
dieses Reg<strong>im</strong>es wie der iranisch-irakische<br />
Krieg. Es gab damals Offi -<br />
ziere, die <strong>im</strong> Gefängnis saßen oder<br />
die ins Gefängnis geworfen wurden,<br />
weil sie Offi ziere des Schahs waren.<br />
<strong>Die</strong>se Leute haben gesagt: „Lasst uns<br />
jetzt in den Krieg ziehen, weil niemand<br />
anders in der Lage ist, dieses<br />
Land zu retten. Es ist uns egal, wer<br />
herrscht. Aber wir werden dieses<br />
Land befreien von einem Aggressor<br />
wie Saddam Hussein. Und die<br />
meisten Menschen haben sich gesagt<br />
- also ganz platt auf gut Deutsch<br />
gesagt: „wir lassen uns lieber von<br />
Mullahs regieren als von einem<br />
Araber. - So nicht!“ Und genau das<br />
halte ich für das Gefährliche in der<br />
jetzigen Situation. Wenn tatsächlich<br />
Iran angegriff en würde, dann schart<br />
sich die Bevölkerung wieder hinter<br />
dem Reg<strong>im</strong>e zusammen, und das<br />
wird eigentlich eher zum Bestand<br />
der islamischen Republik beitragen<br />
als alles andere. Das ist wirklich eine<br />
sehr gefährliche Situation. Und ich<br />
glaube, nach allem, was man liest,<br />
was man hört, was man sieht aus<br />
Iran, dass sich die iranische Bevölkerung<br />
in der Atomfrage sehr, sehr<br />
einig ist. Ich habe es Ihnen eben<br />
beschrieben, was die Argumentation<br />
der meisten Menschen ist, und das<br />
könnte wirklich sehr, sehr gefährlich<br />
werden, wenn jetzt nicht irgendwelche<br />
Verhandlungswege sich auftun,<br />
wie man die Frage anders lösen<br />
könnte.<br />
Zu der Sicherheitsfrage: Ich glaube<br />
das erklärt besser Herr Professor<br />
Massarat, was die iranische Herrscherclique<br />
sich da denkt, was die<br />
Sicherheitsfrage anbelangt und warum<br />
es tatsächlich sehr viele St<strong>im</strong>men<br />
gibt, die auch dafür plädieren, dass<br />
man die Bombe haben möchte.<br />
Davon abgesehen, wenn man sich<br />
informieren möchte, über das, was<br />
die Iraner denken, dann tut man das<br />
wahrscheinlich am geschicktesten,<br />
indem man sich iranische Weblogs<br />
anschaut. Weblogs sind Einträge<br />
<strong>im</strong> Internet, anonym, funktionieren<br />
ungefähr wie ein Tagebuch. Es gibt<br />
700.000 iranische Weblogs. Es gibt<br />
sehr schöne Weblogs, z.B. “Iraniens<br />
for Peace”. Da liest man ganz<br />
häufi g, dass die Leute sagen: „Wir<br />
haben Angst vor so einem Angriff .<br />
Wir haben Angst vor so einem Krieg.<br />
Uns sind schon einmal Bomben auf<br />
den Kopf gefallen, wir wollen das<br />
nicht, wir wollen es absolut nicht.“<br />
Aber, man liest eben auch das, was<br />
ich Ihnen eben gerade beschrieben<br />
habe, dass man der westlichen Welt<br />
vorwirft, dass sie mit zweierlei Maß<br />
messe. Dass sie hingeht und sagt:<br />
„Wir dürfen Atomwaff en haben, wir<br />
dürfen Atomtechnologie haben und<br />
ihr dürft eben nicht.“ Und das, was<br />
den Iranern bisher angeboten wurde,<br />
nämlich Uran in Russland anzureichern,<br />
das sind Peanuts.<br />
<strong>Die</strong> Iraner sagen sich: „Warum sollen<br />
wir uns abhängig machen von einer<br />
ausländischen Macht?“ Es ist ja nun<br />
nicht so, als hätte Russland in der<br />
Vergangenheit nicht versucht, sehr<br />
viel Einfl uss zu nehmen auf iranische<br />
Politik. Warum sollte ausgerechnet<br />
Russland jemand sein, dem<br />
wir vertrauen können. Wieso sollte<br />
man das tun? Wir wollen unabhängig<br />
sein, wir wollen eine autarke<br />
Nation sein, die genau das tut, was<br />
sie laut Atomwaff ensperrvertrag<br />
darf. Und insofern fühlt man sich<br />
sehr, sehr ungerecht behandelt. Und<br />
mit dieser Argumentation schaff t<br />
man es nicht nur - wie ich es gerade<br />
angedeutet habe - dass sich die<br />
iranische Nation hinter dem Reg<strong>im</strong>e<br />
versammelt, sondern man spricht<br />
sehr viele Staaten in der Dritten<br />
Welt an, die auch auf diese Argumentation<br />
vollkommen abfahren.<br />
<strong>Die</strong> sich auch sagen: Wieso gibt es<br />
die Großen in dieser Welt, die alles<br />
dürfen und die den Kleinen in einer<br />
quasi - wie hat Rafsandschani das<br />
formuliert, vor zwei Wochen in einer<br />
sehr interessanten Freitagspredigt<br />
- er hat gesagt: „Das ist eine koloniale,<br />
arrogante Attitüde des Westens<br />
uns gegenüber.“ Und obwohl Rafsandschani<br />
nicht mein persönlicher<br />
Freund ist und wahrscheinlich auch<br />
nicht der große Freund der iranischen<br />
Bevölkerung, hatte er damit<br />
ein Ressent<strong>im</strong>ent angesprochen, das<br />
nicht nur die Iraner unterschreiben<br />
würden, sondern eben auch weite<br />
Teile der Dritten Welt, der blockfreien<br />
Staaten.<br />
Holterman: Ganz herzlichen Dank,<br />
Frau Amirpur, und Sie haben so<br />
wunderbar alles frei gesprochen.<br />
Ich fi nde das ganz toll und ich<br />
fi nde es auch ganz besonders toll,<br />
dass Sie einen Teil einem anderen<br />
Referenten, den sie für diesen Teil<br />
für kompetenter halten, übertragen.<br />
Und das ist Herr Professor Massarat,<br />
unser nächster Referent. Auch<br />
Sie, Herr Professor Massarat, haben<br />
beide Kulturen geistig verfügbar,<br />
die iranische ebenso wie den deutschen<br />
und den europäischen Blickwinkel.<br />
In Teheran geboren, kamen<br />
sie bereits mit neunzehn Jahren<br />
in die Bundesrepublik. Ihr wissenschaftliches<br />
Spektrum reicht über<br />
FK 2006 - 39