Jahresbericht - Diakonie Neumünster
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SOZIALES · <strong>Jahresbericht</strong> 2012 · Seite 12<br />
Drinnen. Diakonische Beratung in der JVA<br />
Vom „Draußen“, sind sie durch dicke Mauern und Stacheldraht<br />
getrennt. Das „Hier drinnen“ in der JVA <strong>Neumünster</strong> ist eine<br />
ganz eigene Welt, nahezu unsichtbar für die Menschen außerhalb<br />
der Mauern. Kaum bekannt ist daher auch, dass die <strong>Diakonie</strong><br />
Altholstein schon seit vielen Jahren für die Gefangenen Schuldnerberatung<br />
und Hilfe bei der Wohnungssuche anbietet.<br />
Die Beratung ist eine Schnittstelle zur Außenwelt. Hier haben die<br />
Themen Platz, die nach der Entlassung eine Rolle spielen: Wo werde<br />
ich wohnen? Wie viel Geld bleibt mir zum Leben? Die beiden diakonischen<br />
Fachberatungen gehören dabei zu einem breiten Angebot<br />
spezialisierter Leistungen, die innerhalb der JVA von externen Trägern<br />
angeboten werden. Differenzierte Therapien, Beratung zu unterschiedlichen<br />
Suchterkrankungen und Hilfe für AIDS-Kranke sollen<br />
die Gefangenen auf ein Leben ohne Straftaten vorbereiten. Zu den<br />
externen Mitarbeitern gehören auch die evangelischen und katholischen<br />
Seelsorger.<br />
Fast 600 Haftplätze sind in der Justizvollzugsanstalt untergebracht,<br />
ausschließlich männliche Gefangene sitzen hier ein. Ein Teil<br />
von ihnen verbüßt eine Jugendstrafe. Die Beratung jugendlicher Gefangener<br />
bildet neben den erwachsenen Schuldnern einen Schwerpunkt<br />
der Arbeit von Schuldnerberaterin Helga Koberg. Dafür fährt<br />
sie einmal in der Woche zusätzlich zu den Sprechstunden in <strong>Neumünster</strong><br />
in die Jugendanstalt Schleswig. In beiden Jugendanstalten<br />
verbüßen einige wegen schwerer Straftaten langjährige Haftstrafen.<br />
Doch mit der Entlassung ist nicht alles erledigt. „Vielen ist nicht<br />
klar, was nach der Haft noch auf sie zukommt“, sagt die Beraterin.<br />
Renten oder Pflegekosten für die Opfer von Gewalttaten bedeuteten<br />
teilweise lebenslange finanzielle Verpflichtungen.<br />
Gerichtskosten und Entschädigungszahlungen summieren sich<br />
schnell zu mehreren zehntausend Euro. Eine echte Hypothek für das<br />
Leben in Freiheit, denn aus dem Verdienst im Knast lässt sich kaum<br />
etwas begleichen und bei einem Insolvenzverfahren bleiben die<br />
Schulden aus Straftaten unberücksichtigt. Aber das Geld ist nur eine<br />
Facette der Beratung. „Die Schulden kann ich abbezahlen, doch die<br />
Schuld werde ich nicht los“, fasst es ein erwachsener Gefangener im<br />
Beratungsgespräch zusammen. Helga Koberg stellt es den Klienten<br />
frei, ob sie ihr erzählen, weshalb sie verurteilt wurden, doch die<br />
meisten gehen offen mit ihrer Tat um. Gelegenheiten zur Aussprache<br />
sind rar gesät innerhalb der Anstalt. Kobergs Klient musste das in<br />
den ersten Monaten seiner Haft schmerzhaft erfahren. „Reue gilt<br />
hier als total uncool. Wenn ich anderen Gefangenen erzählt habe,<br />
wie mies es mir mit meiner Tat geht, hieß es höchstens ‚Bist du<br />
schwul, oder was?’“ Der Familienvater will so schnell wie möglich<br />
mit der Zahlung an die Opfer beginnen, auch um seine eigene Familie<br />
nicht zu belasten. Helga Koberg klärt ihn darüber auf, welche<br />
Forderungen nach der Haft noch auf ihn zukommen können. Das<br />
Haus, in dem Frau und Kinder leben, ist noch nicht abbezahlt – kann<br />
er es halten? Der junge Mann fährt sich mit der Hand durchs Gesicht:<br />
„Das wäre schrecklich für die Kinder, wenn sie da raus müssten“,<br />
sagt er leise.<br />
Dass unter der Straftat auch die Familie der Täter leidet, hat<br />
Helga Koberg schon häufig in Telefonaten mit Eltern jugendlicher<br />
Inhaftierter erfahren. „Die Eltern tragen eine große Belastung, sie<br />
empfinden oft eine Mitschuld“, sagt die Schuldnerberaterin, die gerne<br />
mehr Zeit für die Gespräche mit Angehörigen hätte. Doch ihr Terminplan<br />
ist eng gesteckt. Zwischen sechs und zehn Gespräche führt<br />
sie pro Beratungstag, dazu kommen viele Gänge innerhalb der JVA,<br />
Absprachen und schriftliche Anträge an den Vollzugsdienst brauchen<br />
Zeit. Zwei bis drei Monate müssen die Gefangenen auf einen Termin<br />
bei ihr warten, es sei denn, sie stellen einen Eilantrag.<br />
„Spontaneität gibt es hier nicht“, sagt auch Ulrich Dose über<br />
die Abläufe in der JVA. Seit 16 Jahre berät er Gefangene bei der Suche