Peter Böhmer: Die österreichische Finanzverwaltung und die ...
Peter Böhmer: Die österreichische Finanzverwaltung und die ...
Peter Böhmer: Die österreichische Finanzverwaltung und die ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
45<br />
Vertretungsbefugnis unbeantwortet hatte“. 108 <strong>Die</strong> Fälle betrafen Besitzungen der<br />
Deutschen Wehrmacht in den Gemeinden Winden, Jois, Parndorf, Neusiedl am See<br />
<strong>und</strong> Weiden am See. 109 Kunze zog Mitte 1958 ohne jede Begründung seine<br />
Berufungen zurück. <strong>Die</strong>s erklärt <strong>die</strong> 337 Zurückziehungen 1958; Kunzes<br />
Berufungsanträge machten damit r<strong>und</strong> 22% aller Berufungsanträge aus.<br />
Tatsächlich durchgeführt wurden 952 Berufungsverfahren. Wie noch im Kapitel<br />
„Land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlicher Gr<strong>und</strong>besitz“ gezeigt wird, betrug der Anteil der – im<br />
übrigen erfolglosen – Berufungsverfahren für land- <strong>und</strong> forstwirtschaftliche Güter r<strong>und</strong><br />
10,6%. Da nicht anzunehmen ist, dass <strong>die</strong> Rückstellungswerber <strong>die</strong>ses land- <strong>und</strong><br />
forstwirtschaftlichen Vermögens überwiegend der jüdischen Religionsgemeinschaft<br />
angehörten, wird jene These unterstützt, <strong>die</strong> im Zuge des Ersten Rückstellungs-<br />
gesetzes aufgestellt worden war: dass nämlich <strong>die</strong> Rückstellungsgesetze ab den<br />
fünfziger Jahren vermehrt für nicht-jüdischen Besitz genutzt wurden.<br />
An den Berufungsbescheiden lässt sich <strong>die</strong> Arbeit des BMF als Entscheidungsinstanz<br />
messen. Durchschnittlich 110 lagen zwischen dem Tag des Bescheides der FLD <strong>und</strong> der<br />
Entscheidung im Berufungsverfahren 212 Tage, r<strong>und</strong> sieben Monate. Das kürzeste<br />
Verfahren dauerte sechs Tage; es galt einen Schreibfehler zu berichtigen, der dem<br />
B<strong>und</strong> 20.000 S gebracht hätte. Nach der Richtigstellung des Bescheids wurden<br />
anstelle eines Betrages von 2.809 S 22.809 rückgestellt. 111<br />
<strong>Die</strong> längsten Verfahren dauerten zehn Jahre, wobei zwei davon größeren Ausmaßes<br />
waren. 112 Einer der längeren Fälle war der Rückstellungsantrag der Familie Maria<br />
108<br />
Vermerk, 24. Juni 1958, ÖstA, AdR BMF-VS 225.656-34/58.<br />
109<br />
ÖstA, AdR BMF-VS Karton 4.510, 4.512, 4.515 <strong>und</strong> 4.520. Das BMF hatte als Antwort auf<br />
Kunzes Berufungen bereits vorgedruckte Aktenumschläge angefertigt. Kritische Äußerungen des<br />
BMF über das Agieren von Kunze unter ÖstA, AdR BMF-VS 228.596-34/58.<br />
110<br />
<strong>Die</strong> Eckdaten von 1.053 Berufungsbescheiden wurden in eine Datenbank aufgenommen <strong>und</strong><br />
<strong>die</strong>nten als Basis für folgende Berechnungen.<br />
111<br />
Jakob Berger in Sachen Verlassenschaft nach Oswald Berger, Zl. 182.790-34/1953, ÖstA, AdR<br />
BMF-VS Geschäftsordner 66.<br />
112<br />
Zwei Fällen betrafen jeweils „nur“ ein einzelne Liegenschaft: Alois <strong>und</strong> Agnes Bruckner<br />
begehrten <strong>die</strong> Rückstellung der Liegenschaft EZ 29, KG Reichshalms-Dobra. Der Fall begann 1949<br />
vor der Rückstellungskommission Wien <strong>und</strong> endete im September 1959 mit einem abweisenden<br />
Bescheid des BMF, Zl. 210.792-34/59, ÖstA, AdR BMF-VS Geschäftsordner 66. Das